Bis zu ihrer erfolgreichen Tätigkeit als Beraterin und Coach war es für Christiane Amini ein langer Weg. Zunächst führte dieser sie 1975 in den Iran. Ihr Leben in dem fremden Land und die Rückkehr nach Deutschland beschreibt die gebürtige Hamburgerin in ihrem Buch “1001 Wahrheit: Liebe in Zeiten der Revolution – als Deutsche in der wundersamen Kultur des Iran”. Über die hochaktuellen Themen Krieg, der Umgang mit geflüchteten Menschen und die Auseinandersetzung mit dem Islam schreibt Christiane Amini in einer leichten Sprache aus ihrer ganz persönlichen Perspektive.
Frau Amini, Ihr Buch ist vor allem eine Liebesgeschichte. Als Studentin verliebten Sie sich Anfang der 70er-Jahre in einen persischen Studenten, dem Sie 1975 in den Iran folgten und heirateten. Das ist nun über vierzig Jahre her. Was hat Sie bewogen, Ihre Geschichte in einem Buch aufzuschreiben?
Das Buch entstand als Auftrag meiner Tochter. Vor mehr als zehn Jahren hat sie mir die Frage gestellt, ob ich die Bilder, die sie von mir und ihrem Vater im Kopf hat, klären könnte. Weil ich aus dem systemischen Coaching weiß, wie wichtig Ursachenforschung in der Familie ist, habe ich mich gefreut, darauf eine Antwort für sie zu finden. Und dann habe ich meinen vorherigen Mann – wir sind seit 1992 geschieden – angerufen und ihn gefragt, ob er sich mit mir treffen würde.
In unserem Gespräch musste ich feststellen, dass wir beide ganz unterschiedliche Sichtweisen auf unsere Geschichte haben und kam zu dem Schluss, dass ich nur meine subjektive Version der Wahrheit erzählen kann. Manche Dinge habe ich ganz bewusst ausgelassen. Ich wollte Bilder, die es schon gibt und die negativ sind, nicht noch vertiefen oder dramatisieren. Ich wollte meinen Kindern überlassen, welche Bilder dadurch für sie entstehen.
Lautet deshalb der Titel Ihres Buches “1001 Wahrheit”?
Es ist schon so, dass all das, was im Buch steht, zeitlich genau stimmt. Aus meiner Erinnerung und in Absprache mit meinem Ex-Mann und Freunden, die mit uns damals auch im Iran gelebt haben. Das war sehr wertvoll. Ich habe das Buch innerhalb der letzten zehn Jahre vom ersten Entwurf bis zur gedruckten Version nur für meine Kinder schreiben wollen. Bis sich dann die Situation in Deutschland veränderte und viele Menschen aus anderen Ländern zu uns geflohen sind.
Dies war ein weiterer entscheidender Impuls, das Buch herauszubringen. Um andere Menschen an meinen Erfahrungen teilhaben zu lassen und sie zu inspirieren, sich mit anderen Kulturen auseinanderzusetzen. Wie die geflüchteten Menschen sind ja auch wir mit nichts weiter als ein paar Koffern nach Deutschland gekommen und mussten Haus und Hof zurücklassen. Das ist eine besondere Herausforderung, das Leben von Hundert auf Null wieder völlig neu aufzubauen.
Sie haben von 1975 bis 1982 in Teheran gelebt. Es waren schwierige Zeiten mit vielen persönlichen und politischen Umbrüchen. Und trotz allem schreiben Sie in Ihrem Buch, dass Sie die gesammelten Erfahrungen nicht missen möchten.
Diese Jahre waren sehr intensiv. Ich habe die Kaiserzeit mit dem Schah erlebt. Dann kam die islamische Revolution unter Ayatollah Khomeini und der Krieg gegen den Irak. Und dabei haben wir noch eine Familie gegründet und ein Haus gebaut! Als ich im Iran ankam, konnte ich Persisch weder sprechen noch verstehen. Aufgrund der Sprachlosigkeit habe ich angefangen, die Menschen zu beobachten. Dabei legte sich für mich, ohne es zu wissen, ein Grundstein für meinen zweiten Beruf als Coach und Beraterin. Einander in seiner Vielfalt wertzuschätzen, habe ich im Iran gelernt. Und großzügig zu sein. Die Großzügigkeit und Gastfreundschaft, mit der anderen Menschen im Iran begegnet wird, sind mir unglaublich positiv aufgefallen und ich habe das sofort adaptiert.
Wie hat Sie die Zeit im Iran geprägt?
Das Verstehen der unterschiedlichen Sprachen und der Kulturen hat mich geprägt und die Bereitschaft des iranischen Volkes, sich immer wieder unter schwierigsten Umständen neu zu erfinden. Die Menschen haben einen extrem guten Humor und eine Leichtigkeit, mit bestimmten Situationen, auch wenn sie noch so schwierig sind, umzugehen. Das hat mir sehr gut getan und das bringe ich auch heute in meinem Berufsleben mit ein, wenn ich am Anfang eines Treffens mit meinen Kunden sage :”Schauen wir uns erst einmal an, wer wir sind”. Es geht um das Miteinander, sich wirklich vorzustellen und ein bisschen über dies und jenes zu sprechen. Wir nennen das hier Small Talk, aber im Iran hat es eine andere Qualität. Als ich dann zurück in Deutschland war, habe ich gemerkt, wie wertvoll und wichtig diese Vielfalt ist.
Bevor Sie Deutschland verließen, hatten Sie Ihr Modedesign Studium in Hamburg beendet. Haben Sie auch im Iran in Ihrem Beruf gearbeitet?
Immer mal wieder. Ich habe ein Temperament in mir, das nicht so schnell aufgibt, auch wenn es schwierig wird. Mein Mann hatte zu mir gesagt, dass ich sehr wahrscheinlich mehr Geld verdienen würde als er als Architekt, weil Iranerinnen es großartig finden, von Europäern entworfene Kleidung zu tragen. Aber ich habe dann gemerkt, dass es nicht so einfach war, wie ich es gerne gehabt hätte. Dann kam der Krieg, keiner wollte mehr Häuser bauen und mein Mann wurde arbeitslos. Da kam ich zum Zuge und habe letztendlich den Ausspruch meiner Mutter erfüllt :”Du musst Schneiderin lernen. Die hatten im Krieg immer was zu essen.” Dass ich das tatsächlich umgesetzt habe und im Krieg durch das Nähen den Lebensunterhalt für unsere Familie verdient habe, war schon eine sehr besondere Erfahrung.
Nach Ihrer Rückkehr nach Deutschland änderte sich Ihr Leben radikal. Sie waren mit drei Kindern auf sich allein gestellt.
Nach der Geburt unseres dritten Kindes ging unsere Ehe leider zu Ende und ich wollte vor allem eine gute Mutter sein. Als mir Jemand von einem Vortrag erzählte, wie man den Kindern das Lernen in der Schule erleichtern kann, bin ich hingegangen, obwohl ich das Gefühl hatte, schon alles zu wissen. Der Vortragende hat mit uns Übungen gemacht und wie von Zauberhand löste sich mein Widerstand auf. Ich lernte, konnte alles behalten und ein halbes Jahr später saß ich in der Ausbildung.
Für welche Ausbildung haben Sie sich entschieden?
Der Ausbildungsweg zum Coach legte sich wie von selbst unter meine Füße. Wie Dominosteine setzte er sich in Gang und ich lernte, die Potenziale der Menschen professionell zu entdecken. Das, was ich eh schon mitgebracht habe, wurde zu einem richtigen Produkt und ich lernte andere Menschen kennen, die mich fragten, ob ich ihnen beim Coaching helfen könnte. Da ich mich gegen die therapeutische Ausbildung und für den lernpädagogischen Zweig entschieden hatte, landete ich somit in der Wirtschaft. Ich habe viel dafür getan, für mich und meine Kinder das Leben zu finanzieren. Die Designerin, die für andere etwas kreierte, hörte auf. Von nun an designte ich gemeinsam mit den Menschen ihr Inneres nach Außen zu bringen. 1997 gründete ich, mittlerweile als Coach, Facilitator und Mentorin “IQM – Inner Quality Matters”. Hiermit habe ich meine Berufung gefunden, was mich sehr glücklich macht.
Ihr Buch endet in den 80er-Jahren in Deutschland. Wird es eine Fortsetzung geben?
“1001 Wahrheit” habe ich als Selfpublisherin herausgegeben bei Books on Demand. Es gibt eine Anfrage von einem Verlag für ein zweites Buch und aktuell schreibe ich für das Exposé die ersten Seiten. Es bleibt spannend.
Herzlichen Dank für das Gespräch!