Drei Jahre nach Kriegsende blockierte die Sowjetunion West-Berlin und verhinderte damit über Nacht die Versorgung der Bevölkerung auf dem Landweg. Am 24. Juni begannen die westlichen Alliierten, die Menschen aus der Luft zu versorgen. Bis 1949 war die logistische Meisterleistung Luftbrücke mit Ziel Berlin-Tempelhof in Kraft. Hunderttausende von Flügen erfolgten in diesem Zeitraum nahezu im Minutentakt, zwei von drei Maschinen flogen US-amerikanische Piloten.
Die Piloten aus den USA sorgten nicht nur für Grundnahrungsmittel und Kohle, sondern dachten auch an Spielzeug und Süßigkeiten für die Kinder. Der als „Rosinenbomber“ berühmt gewordene Colonel Gail Halvorsen hängte Süßigkeiten an kleine Fallschirme, um den deutschen Kindern in der kargen Nachkriegszeit eine Freude zu bereiten.
Die deutsche Seite der Luftbrücke
Siegfried Kugies wurde Ende 1926 in Ostpreußen geboren und mit 17 Jahren eingezogen. In der Ardenne-Offensive kam er kurz vor Kriegsende in Gefangenschaft und war vier Jahre in den USA und Großbritannien inhaftiert. Die schwere Zeit nutzte er, um seine Englischkenntnisse aus der Schule zu verbessern. Mit 22 Jahren zurück in Deutschland wurde er 1948 als Gleisbauer, Schrankenwärter und schließlich als Rangierer bei der Bahn angestellt. Diese suchte damals händeringend Mitarbeiter für den Betrieb in drei Schichten. Als Rangierer unterstützte er die US-amerikanische Lieferung von Kohle für die eingeschlossene Berliner Bevölkerung.
Der pfiffige junge Mann hatte einen Verbesserungsvorschlag, um die Verladung der großen Mengen Kohle und Treibstoff in Frankfurt effizienter zu gestalten. Da sein Vorgesetzter der englischen Sprache nicht mächtig war, schlug er den Amerikanern seine Ideen vor, die auch prompt umgesetzt wurden.
Wassergymnastik, Seniorenbeauftragter und Buchautor
Nachdem bei der Bahn bekannt wurde, dass er gut Englisch spricht, bekam er in späteren Jahren vielfältige und interessante Aufgaben zugewiesen. Bei der Bundesbahndirektion in Frankfurt übernahm er das Aufgabengebiet “Verkaufsförderung, Touristik, Presse und Öffentlichkeitsarbeit” für die britischen, kanadischen und amerikanischen Streitkräfte in Deutschland. Kugies organisierte Bahnreisen für amerikanische Familien und war als Gesundheits- sowie Seniorenbeauftragter bei der Bahn tätig. Um sieben Uhr früh zur Wassergymnastik aufzurufen, machte ihm als Gesundheitsbeauftragter Freude – seinen Kollegen vermutlich weniger. Im Verlauf seiner Karriere von über vier Jahrzehnten bei der Bahn wurde er schließlich Bahnhofsvorsteher.
Ihm ist es wichtig, die Erinnerung an den Krieg und die Nachkriegszeit wach zu halten. Als ältester überlebender Deutscher, der für die Luftbrücke gearbeitet hat, fungiert er gerne als Zeitzeuge und Vermittler zwischen den Generationen. Seine Erlebnisse hat er in dem Buch „Der ostpreußische Eisenbahner und die Amerikaner“ niedergeschrieben.
Aktiv im Alter
Dem Alter begegnet er mit Optimismus und Humor. Von nichts kommt nichts und deshalb machen seine Frau und er viel für ihre Gesundheit. 25 Jahre waren sie beim Seniorentanzen aktiv und auch jetzt noch sorgen beide für ausreichend Bewegung. Zu Hause ist beim Ehepaar Kugies die Arbeitsteilung noch eher traditionell. Er surft im Internet, hält Lesungen und organisiert Veranstaltungen, während seine Ehefrau den Haushalt führt und für die große Familie fleißig strickt und näht. Mit über 90 Jahren ist Siegfried Kugies sehr aktiv und pflegt zahlreiche deutsch-amerikanische Kontakte. Jedes Jahr zu Weihnachten organisiert er in Rüsselsheim ein Konzert des Orchesters der United States Air Force in Europa (USAFE).