Das war knapp: „Für 19 Kilometer reicht die Batterie noch“, sagt die Anzeige. Und das jetzt schon seit 10 km. Es ist kalt im Elektro-Auto. Bis zur heimischen Ladestation ist es noch weit.
Das „E“-Abenteuer läuft bei mir jetzt seit knapp zwei Jahren. Einmal war es schon ähnlich knapp, erzähle ich stolz, wenn mal wieder die Fragen kommen: „Voll elektrisch? Und, bist Du schon mal liegen geblieben?“ Nee. Nicht einmal liegen geblieben! 12.000 km gefahren – ohne Plan B, wie Benzin-Reservemotor. Voll elektrisch, nicht nur Hybrid für 30 oder 50 km, wofür es ja auch das „E“ gibt auf dem Nummernschild und Zuschuss von der Kanzlerin.
Die Tour an diesem späten Freitagnachmittag im Januar 2019 fing eigentlich ganz entspannt an: Der übliche Stau auf der A46 am Haaner Berg schaffte es nicht in die Verkehrsnachrichten: „Alles ab 4 km Länge“. Die Batterie zeigt 80 Prozent an. Das reicht im Normalfall für die Tour zu Mutter (92) in Hagen-Hohenlimburg; Blick aufs Schloss im „Westfälischen Heidelberg“ (Wikipedia), ’n paar Besorgungen machen und wieder zurück in die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt.
Das „Westfälische Heidelberg“ heißt Hohenlimburg
„Normalfall“ heißt: Du fährst im „Eco-Pro“-Modus mit „effizienter Fahrweise“, wie es in der 250-seitigen Betriebsanleitung heißt. Bei 130 km/h ist der i3 abgeriegelt. Beim Blitzstart an der Ampel bleibst Du dennoch immer Sieger. Und mehr als 120 sind auf der Tour zu Mutter ohnehin nicht erlaubt; allenfalls auf 10 der 60-km-Autobahnstrecke. Das rollende E-Werk belohnt Eco-Pro-fahren mit mehr Reichweite und weniger Nervenschwund. Im Januar, bei Regen und bei Dunkelheit kann das entscheidend sein.
Für mehr als 80 Prozent Ladung beim Start hatte der drei Stunden-Anschluss an der Ladestation in der heimischen Garage nicht gereicht. Der Bord-Computer zeigt beruhigende 170 km Reichweite an – im Eco-Modus. Die Heizung war da aber noch nicht an. Sitzheizung ist kein spürbares Minus für die Reichweite. Aber Heizung mit Gebläse, damit die Scheiben nicht beschlagen; da sind schnell 30 km und mehr weg. Und die kommen zunächst auch nicht wieder, wenn man die Heizlüftung erst mal wieder abschaltet.
Zum Glück geht es bergab
Ab Wuppertal-Nord bis ins „Westfälische Heidelberg“ geht es überwiegend bergab. Glücksgefühle kommen da hoch: Du schwimmst wunderbar im Autobahnverkehr mit – auch auf der Überholspur. Du fährst und die Reichweite nimmt nicht ab. Genial, wie das E-Werk arbeitet. Da macht sogar der Stau bei Volmarstein/Wetter Freunde oder rote Ampeln. Du kommst zu stehen, ohne ein einziges Mal das Bremspedal auch nur zu berühren. Der Motor bremst und lädt die Batterie.
Bei Mutter waren noch knapp 70 km auf der Uhr. Vorsichtshalber ziehe ich das mit einem Haushaltskabel verlängerte Ladekabel hinter dem Strauch im Vorgarten durch und dann durch das gekippte Kellerfenster rein in die ganz normale Steckdose. Mutter ist entsetzt. Die Dose gehört zum Einfluss- und Zahlbereich des Nachbarn. Der Sohn (67) bleibt entspannt. Der Nachbar ist auch entspannt: „Nee, das ist Allgemeinstrom: Ich schenk‘ Ihnen meine Hälfte“. Der Nachbar lebt schon lange in der 59plus-Klasse. Er verfolgt die Elektro-Experimente des häufigen Besuchs aus der Landeshauptstadt mit sympathisierendem Interesse. Nur der Nervenkitzel mit den Reichweiten, das sei zu viel für ihn, sagt der Ü75.
Das Tanken mit dem Schukostecker hatte schon mehrmals tadellos funktioniert, wenn auch nur sehr langsam. Prüfen, ob die Ladung tatsächlich läuft, das war also nicht nötig an diesem Freitagabend im Januar. „Das wird heute die kälteste Nacht“, weiß Mutter aus „Wetter vor Acht“. Dann kommt der Elektroschock: Ladung wäre nicht möglich gewesen, liest der E-Driver in der Anzeige: Wenn das Problem mehrfach aufträte, solle er die Werkstatt aufsuchen. Gute Fahrt. Mutter winkt. Es geht erstmal steil bergab im Sauerland: Strom laden, aber nur auf 700 Metern. Knapp 70 km sind es zurück an den Niederrhein. Noch 67 km auf der Uhr. Kein Problem: Das Navi findet Ladestationen. Ich habe ‘ne Ladekarte. Die Karte soll angeblich überall funktionieren.
Frieren für den Fortschritt
Die Ladestationen des Navi‘s liegen nicht direkt an der viel befahrenen Strecke zurück in die Landeshauptstadt. Das Navi könnte mich zu diesen Stationen lotsen. Das Navi weiß aber nicht, ob die Stationen auch tatsächlich verfügbar sind oder bereits im Wochenend-Modus sind. Ich verzichte. Die zusätzlichen Kilometer bis zu so ‘ner Station und zurück auf die Autobahn, spare ich mir. Ich fahre jetzt im Eco-Pro-Plus-Modus. D.h: keine Heizung und maximal 90 „Sachen“. Das verlangsamt den Reichweitenschwund. Und wenn es auf der A1 hinter ‘ner Kuppe runter geht, dann schnell raus aus Eco und rein in den e-Drive-Modus: volles Tempo und Strom gewinnen! Und mal eben die Heizung anmachen.
Die Kassiererin an der Raststätte „Sterneberg“ kuckt betroffen: „Nee. Strom könn‘ Sie hier nicht kaufen und auch an der gesamten A46 nicht“, weiß die junge Frau. Unten in Wichlinghausen bei ARAL, da gäbe es bestimmt Strom, ermutigt sie. Ja: Die Tanke ist hell erleuchtet. Der Kassierer kuckt überrascht durch den Rewe-to-go-Shop. Ich will ihn nicht fragen, ob er mir ’ne Schukosteckdose „leiht“. Das Navi empfiehlt „Rathaus Barmen!“ O.k. Das ist in Richtung Westen, Richtung Düsseldorf.
Tatsächlich. Ein E-VW lädt an der Säule hinter dem Rathaus. Die Säule wird von den Wuppertaler Stadtwerken WSW betrieben. Es ist finster und still an dieser Straßenkreuzung. Zum Glück regnet es nicht. Es ist so kalt, als gäbe es Schnee. Und kein Dach über der Strom-Tanke. Gut: Der zweite Stecker ist frei. Ich finde raus, wo ich die Ladekarte hinhalten muss: „Warten Sie einen Moment“, steht auf dem Display. Und dann: „Karte nicht erkannt.“ Ich versuche es noch mal mit der Rückseite der angeblich universellen Karte von „New Motion“. Vergeblich. OK, jetzt wird’s ernst.