Wer redet schon gern über den Tod. Oder das Sterben? Noch schlimmer! Da wird das Thema lieber totgeschwiegen. So schnell erwischt es mich schon nicht. Wie um alles in der Welt kann man sich unter diesen Voraussetzungen dann dem Thema aktive Sterbehilfe überhaupt nähern? Wir haben es versucht.
Beim Wort aktive Sterbehilfe werden die Augen der meisten Menschen groß. Entsetzen steht in ihren Gesichtern. Andere wiederum nicken verständnisvoll. Offen darüber gesprochen wird kaum. Sei es aus Angst, Scham oder gar Abneigung oder einfach aus purer Unkenntnis. Weiß eigentlich jeder, um was es bei der Sterbehilfe geht? Wir vermuten: nein. Deshalb haben wir uns dazu entschlossen, das Thema mit dem heutigen Artikel auf 59plus.de etwas näher zu betrachten.
Die verschiedenen Arten der Sterbehilfe
Beginnen wir ganz pragmatisch mit den unterschiedlichen Vorgehensweisen der Sterbebegleitung. Folgende Arten werden unterschieden:
Aktive Sterbehilfe
Im Rahmen der aktiven Sterbehilfe führt eine dritte Person den Tod des Sterbewilligen herbei, beispielsweise über die Gabe (Injektion) von hochdosierten Narkosemitteln. Dabei handelt diese Person auf ausdrücklichen Wunsch des Sterbenden.
Passive Sterbehilfe
Bei der passiven Sterbehilfe verzichten die behandelnden Ärzte darauf, das Leben des Erkrankten künstlich zu verlängern. Es werden also keine Wiederbelebungsmaßnahmen mehr durchgeführt und auch keine lebenserhaltenden Maßnahmen wie künstliche Beatmung oder künstliche Ernährung.
Indirekte Sterbehilfe
Bei der indirekten Sterbehilfe steht die Schmerzlinderung im Vordergrund. Dabei kann es passieren, dass der Arzt dem Patienten zu viel Schmerzmittel verabreicht und dieser dann in Folge davon etwas früher stirbt. Dieses Risiko geht der behandelnde Arzt bei der indirekten Sterbehilfe bewusst ein.
Assistierter Suizid
Beim assistierten Suizid oder auch der Beihilfe zum Suizid, verschreibt der Arzt dem Patienten Arzneimittel oder stellt ihm Medikamente zur Verfügung, mit denen sich der Sterbewillige selbst töten kann.
Aktive Sterbehilfe in den Niederlanden und der Schweiz
Sterbebegleitung ist in den Niederlanden zwar an gewisse Vorgaben gebunden, aber grundsätzlich sind alle Arten der Sterbehilfe dort straffrei. Wichtig ist, dass beim Patienten keine Aussicht auf Besserung oder Heilung besteht. Zudem muss ein Arzt bestätigen, dass der Patient ausführlich überlegt hat und freiwillig sterben möchte. Zusätzlich muss ein zweiter Arzt in den Prozess eingebunden sein und dem Vorgehen der aktiven Sterbehilfe zustimmen. Dennoch ist dieser Weg nur frei für Menschen die auch in den Niederlanden wohnen und leben.
In der Schweiz wiederum werden der assistierte Suizid, die passive und die indirekte Sterbehilfe toleriert. Unter Strafe steht ausschließlich die aktive Sterbehilfe.
Die Rechtslage in Deutschland
Sterbehilfe ist in Deutschland grundsätzlich verboten. Allerdings ist die aktive Sterbehilfe die einzige, die durch das Strafgesetzbuch geregelt ist. Bei den drei anderen betritt man eine rechtliche Grauzone. Doch letztlich sind alle Arten der Sterbebegleitung in Deutschland mit Strafverfolgung belegt. Zudem schließt die Berufsordnung (Hippokratischer Eid) der Ärzte aus, dass der Arzt Beihilfe zum Suizid leistet. Die Bundesärztekammer wiederum befürwortet in ihren “Grundsätzen zur ärztlichen Sterbebegleitung” sowohl die indirekt als auch die passive Sterbehilfe, sofern das der ausdrückliche Wunsch des Patienten sei.
Sonderfall Patientenverfügung
Diesbezüglich kann die Patientenverfügung einen wichtigen Beitrag leisten und damit sowohl Arzt, als auch Angehörigen wichtige Entscheidungen abnehmen. Mit einer Patientenverfügung legen Sie fest, ob und welche medizinischen, lebenserhaltenden oder lebensverlängernden Eingriffe bei Ihnen im Notfall durchgeführt werden sollen und dürfen. Nach diesem schriftlich formulierten Willen müssen sich Ärzte und Angehörigen richten, sollte der Patient nicht mehr selbst in der Lage sein zu entscheiden. Eine Patientenverfügung muss schriftlich erstellt sein. Aber auch eine Videoaufzeichnung ist möglich. Das Einfordern oder der Wunsch nach Beihilfe zum Tod ist allerdings auch mit einer Patientenverfügung nicht erlaubt.
Sterbehilfe: ein Für und Wider
Nun kommen wir zurück zu den entsetzten Gesichtern und den verständnisvollen Befürwortern der Sterbehilfe. Die einen sind davon überzeugt, dass jeder für sich selbst entscheiden kann und darf, wann er seinem Leben und vor allem seinem Leiden ein Ende setzen mag. Zudem mahnen die Befürworter an, dass eine klare Regelung in Deutschland die Sachlage deutlich erleichtern würde. Mediziner hätten endlich eine verlässliche Handlungsgrundlage. Sie könnten schwerkranken Menschen Medikamente verschreiben, sodass diese ihrem Leidensweg ein würdiges Ende setzen könnten.
Sterbehilfe-Gegner hingegen erinnern an den Hippokratischen Eid und beharren darauf, dass niemand das Recht besitze, eine Entscheidung über Leben und Tod zu treffen. Zudem führen die Gegner an, dass die Schmerztherapie heute bereits soweit fortgeschritten sei, dass auch im Rahmen einer Palliativbehandlung den Patienten ein würdevolles Sterben, zum Beispiel in einem Hospitz, möglich sei.
Resümee
Ich selbst sehe mich ehrlich gesagt eher auf der Seite der Befürworter. Warum soll der sterbenskranke Mensch nicht selbst entscheiden dürfen, wann es Zeit für ihn ist zu gehen? Warum ist der Wunsch, in Würde von dieser Welt abtreten zu dürfen, bevor der Schmerz zu groß oder der Zerfall zu deutlich wird, denn so verwerflich? Ich weiß nicht, ob ich mich selbst dafür entscheiden würde. Aber ich respektiere den Wunsch sterbenskranker Menschen, die diesen Weg für sich als den richtigen betrachten. Wie sehen Sie das? Diskutieren Sie gerne mit uns.
Ich stehe auf der Seite der Befürworter. Ich möchte selbst entscheiden dürfen, wann mein Leben beendet ist. Die in dem Artikel erwähnte Patientenverfügung ist dabei ganz wichtig. Ich kann es nur Jedem empfehlen
Liebe Frau Kördel, vielen Dank für Ihre offenen Meinung. Wir hier bei 59plus halten die Patientenverfügung ebenfalls für ein ganz existentielles Dokument, das idealerweise jeder in seinem Schreibtisch liegen haben sollte. Herzliche Grüße von der Redaktion
Vor ziemlich genau einer Woche ist meine Oma verstorben. Auch wenn sie schon länger im Pflegeheim war, war sie noch relativ fit und war auch regelmäßig mit uns in der Stadt um Kaffee zu trinken und zu shoppen. Am Freitag ging es ihr auf einmal richtig schlecht und sie musste ins Krankenhaus, die diensthabende Ärztin hat meine Oma erst mal als Simulantin hingestellt und hat nur auf unser Drängen ein CT und eine Ultraschalluntersuchung gemacht. Dabei kam raus das die Hauptschlagader im Bauch zusitzt und danach wurde überprüft ob sie eine Operation überhaupt überstehen würde. Am nächsten Morgen kam dann das Ergebnis: der Darm ist durch die Unterversorgung, die ja schon länger andauerte, zu 70 – 80% abgestorben und es wäre nur noch eine Frage der Zeit. Der Arzt hat uns zugesichert das meine Oma keine Schmerzen mehr erleiden müsste und hat erst mal einen Tropf mit Schmerzmitteln angeordnet. Doch die halfen nicht und die anderen Ärzte haben sich geweigert die Dosis zu erhöhen oder ein stärkeres Mittel zu geben. 3 lange Tage hat meine Oma noch gelitten bis eine einsichtige, freundliche und sehr verständnisvolle Anästhesistin ihr Morphium gegeben hat. Danach war sie endlich schmerzfrei und ein paar Stunden später ist sie dann friedlich und ohne Schmerzen endgültig eingeschlafen.
Warum lässt man Menschen die aus medizinischer Sicht keine Chance mehr haben noch so lange leiden? Warum dürfen Ärzte in Deutschland dann nicht aktiv eingreifen um ein würdevolles Ableben zu ermöglichen. Meine Oma so leiden zu sehen war das schlimmste, denn das hat keiner verdient. Ich war auch vorher schon Pro Sterbehilfe aber nach diesem Erlebnis bin ich es mehr denn je.
Ich entschuldige mich für den langen Text und hoffe die Kernaussage ist verständlich
Liebe Grüße
Paul
Lieber Paul,
zuerst einmal möchten wir Ihnen unser aufrichtiges Beileid zum Tod Ihrer Oma aussprechen. Außerdem möchten wir uns für diesen so offenen Kommentar und das klare Statement bedanken – auch wir sind der Meinung, das Arzt sein auch bedeutet den Menschen nicht leiden zu lassen und wenn es soweit ist, auch gehen zu lassen. Genau das ist der Grund warum wir dieses Thema immer wieder bewegen möchten. Wir möchten die Menschen dazu bewegen eine klare Meinung zu beziehen und die Stimmen lauter werden zu lassen auf diesem Gebiet endlich ein Umdenken stattfinden zu lassen.
Dabei helfen Ihre Erfahrungen, genauso wie die der anderen Menschen da draußen. Zu einem würdevollen Leben, sollte eben auch ein würdevoller Tod gehören ?
Mit aufrichtig herzlichen Grüßen, die Redaktion von 59plus
Vielen Dank liebe Redaktion,
ich möchte mich dafür bedanken das ich hier mal mein Herz ausschütten konnte. Im Nachhinein hat meine Mutter noch mal mit der Anästhesistin gesprochen und hat sich noch mal bei ihr bedankt. Sie sagte das sie es selbst schlimm findet das man so angekettet wird, selbst wenn man als Arzt sieht wie sehr jemand leidet und den Familien dann sagen soll das man nichts mehr tun kann, obwohl man es könnte. Sie sagte auch das sie sich mit dem was sie getan hat auf verdammt dünnes Eis begeben hat, da ja jede Medikation dokumentiert wird und sie dann im Zweifel Rechenschaft ablegen muss.
Was ich sagen will: An den meisten Ärzten scheint es nicht zu liegen und ich glaube es gibt dort genügend Befürworter, aber durch die aktuelle Gesetzeslage scheinen viele Mediziner Angst zu haben die Dosis für Schmerzmittel so anzusetzen das die Patienten schmerzfrei sind, da man ihnen ja eine zu hohe Dosierung nachsagen könnte und damit die Konsequenzen für die berufliche Laufbahn sehr stark sein können.
Vielen Dank und liebe Grüße
Paul
Lieber Paul,
klasse, dass das Gespräch mit der Anästhesistin Aufklärung gebracht hat. Das ermöglicht doch einen Abschluss mit der Situtation zu finden. Wir haben ebenfalls davon gehört, dass die Regierung zwar das Thema “Sterbehilfe” in einer neuen Fassung verabschiedet, aber diese neue humanere Fassung in Bezug auf Sterbenskranke leider nicht in die Umsetzung bringt. Wir bleiben da dran und informieren immer wieder hier in der Rubrik.
Vielen Dank für diese Rückmeldung – somit haben viele andere Menschen da draußen vielleicht den Mut den jeweilig nehandelnden Arzt konkret anzusprechen und für die Betroffenen eine humane Lösung zu finden.
Viele Grüße von der Redaktion