Heute ist die Küche zu dem geworden, was zu unser Jugendzeit noch das Auto war, ein Statussymbol im Sinne von „Mein Haus, mein Boot, mein Auto…“.
Für ein Auto gibt ein junger Mensch lange nicht mehr so viel Geld aus wie früher. Ein Auto selbst zu finanzieren scheint nicht wirklich Sinn zu machen, wenn über carsharing an jeder Ecke ein Auto per App geortet werden kann und so jederzeit zur Verfügung steht.
Man leistet sich dafür dann lieber eine neue Küche. Im Fernsehen kommen zuhauf Koch- und Backsendungen, die Luxusküchenmaschine steht in fast jedem Haushalt und statt mit Freunden in die Kneipe zu gehen, lädt man heute zum gemeinsamen Kochen ein.
Die Küche als neues Statussymbol
Wie aber sieht der Alltag bei den Familien hierzulande aus? Jeden Tag frisch gekochtes Essen, mit frisch auf dem Markt eingekauften Lebensmitteln – natürlich alles Bio? Die Statistik entlarvt diese Annahme schnell als nichtzutreffend. Die Tiefkühlpizza ist noch immer eines der am meist gekauften Lebensmittel! Gemeinsame Mahlzeiten in der Familie sind eher die Seltenheit. Kinder essen unter der Woche in der Schulmensa, die Eltern in der Firmenkantine. Meist bleibt die Küche kalt. Gemeinsame Mahlzeiten gibt es wenn, oft nur noch am Wochenende. Auf der anderen Seite steigen die Zuwachsraten der Umsätze der Küchenbranche von Jahr zu Jahr. Dampfgarer, eingebaute Kaffeemaschinen und weitere High-Tech Geräte müssen es schon sein. Aber werden die dann auch genutzt? Unsere Esskultur hat sich gewandelt. Kochen ist von einer täglichen Notwendigkeit zu einem teuren Hobby geworden.
Alleine kochen macht keinen Spaß
Die Rentner hingegen, die zum Kochen ja die Zeit hätten, denen fehlt es vor allem an Geselligkeit Denn alleine für eine oder zwei Personen zu kochen, macht nicht wirklich Spaß. Der Aufwand scheint zu groß fürs Einkaufen, das Zubereiten und das Aufräumen danach. Gerade diese Generation aber ist es von klein auf gewohnt, dass man sich zum Essen um den Tisch versammelt, die Erlebnisse des Tages austauscht und somit Familienleben praktiziert. Das Ganze meist auch noch zu fest geregelten Zeiten. Die Ansprache für Alltagssorgen und ganz einfach jemand zum Zuhören fehlen oftmals, viele Senioren leiden unter Einsamkeit.
Die Küche als Raum für Begegnung
Die Küchen bleiben mit zunehmendem Alter ihrer Bewohner ungenutzt. Lange hat man geglaubt, mit Essen auf Rädern und Bringdiensten könnte man das Problem lösen. Zum Teil stimmt das auch – Hunger muss, auch ohne selbst zu kochen, heute keiner leiden. Das Angebot an Convenience-Produkten und Essen to go ist riesig. Was Schnelles auf die Hand ist ja auch sehr verführerisch bei unserem beschleunigten Lebenswandel. Aber was ist mit den positiven Effekten des gemeinsamen Essens? Heute weiß man, dass Menschen, die in einer Beziehung leben und viele Freunde haben, länger und gesünder leben. Soziale Kontakte als Lebenselixier, wo gelänge das besser, als beim Essen? Das Einkaufen, das Zubereiten von Mahlzeiten und die Küche wieder auf Vordermann zu bringen, hat zudem den Effekt, den Tag zu strukturieren, soziale Kontakte zu ermöglichen und Kompetenzen zu erhalten.
Generationen wieder verbinden
Warum lassen sich die beiden Extreme denn nicht verbinden? Der große Wunsch nach Entschleunigung bei den Erwerbstätigen und der Wunsch nach sinnstiftenden Tätigkeiten in der nachberuflichen Phase. Gerade ältere Frauen könnten junge Familien unterstützen. Sie haben vor allem das, was den jungen Müttern fehlt – Zeit. „Bei Oma schmeckt´s am besten“ ist ein geflügeltes Wort, das jeder kennt. Alte Familienrezepte und das Wissen um die klassische Hausmannskost gehen verloren. Den leckeren Duft vom Kuchen backen oder Marmelade kochen, kennen viele nicht mehr.
“Bei Oma schmeckt´s am besten”
Warum nicht hier eine Brücke schlagen und neue Konzepte überlegen? In vielen Orten gibt es bereits tolle Projekte, um beide Parteien zusammenzubringen. Senioren erfahren Wertschätzung und haben eine sinnvolle Aufgabe. Sie werden gebraucht und können ihr Wissen weitergeben. Ob das als Leihoma ist, im Mitwohnkonzept mit Studenten, im Mehrgenerationenhaus oder in der Senioren-WG. Beim Mittagstisch in der Kirchengemeinde oder beim Projekt „Senioren kochen für Senioren“. Auf der anderen Seite werden Kindern Werte vermittelt, Wissen um Lebensmittel, gesunde Ernährung und Spaß am gemeinsamen Erleben in einer Gruppe. Es gibt viele Möglichkeiten die Generationen zusammenzubringen.
Eine gute Planung beinhaltet neben der reinen Funktionalität und der Gestaltung eben auch die sozialen Aspekte und die Berücksichtigung individueller Bedarfe. Ich plädiere für eine funktionale, alltagstaugliche Küche als Herzstück der Wohnung, als Treffpunkt für Jung und Alt. Dann findet vielleicht bald auch eine gemeinsame Party in der Küche statt. Und wie man weiß, finden ja bekanntlich die besten Partys in der Küche statt!
Herzlichst Ihre Sabine van Waasen