Menschen in der zweiten Lebenshälfte beschäftigen sich zunehmend mit dem Thema Wohnen im Alter. Die Frage der Versorgung und der Wunsch nach möglichst langer Autonomie und Selbstbestimmung rückt in den Fokus. Die meisten Menschen möchten in Ihrem eigenen Zuhause alt werden. So wird das Wohnumfeld mit zunehmendem Alter immer wichtiger und bestimmt mehr und mehr unsere Lebenszufriedenheit.
Überholte Wohnvorstellungen
In meinen Beratungen erlebe ich oft, dass gerade die hochaltrigen Kunden sich zu spät auf die Fragestellung einlassen „Wie und wo möchte ich im Alter leben?“. Diese Generation ist noch geprägt von überkommenen Versorgungsstrukturen. Die Generation meiner Großeltern konnte sich sicher sein, dass sie im Alter von Ihren Kindern versorgt werden würde. Pflege war zu allererst in der eigenen Familie verortet. Familien lebten in Mehrgenerationenhaushalten und so konnten die Pflichten auf mehreren Schultern verteilt werden.
Heute sind wir alle gefordert, proaktiv selbst Vorsorge zu betreiben. Auch eine Pflegeversicherung ist nur eine Teilkaskoversicherung und kann nicht alle Bedarfe abdecken. Die Familienstrukturen haben sich aufgelöst und falls es Kinder gibt, sind sie im Zweifel weit weg oder beruflich eingespannt. Immer weniger Menschen wollen ihre Pflege den eigenen Kindern zumuten und suchen nach Alternativen. Das ist oftmals der Antrieb zu mehr Eigeninitiative. Die Kindergeneration, die bereits ihre Eltern gepflegt hat – die Menschen in den 60ern – sucht nach neuen Lösungen. Sie wollen ihre oft negativen Erfahrungen dazu nutzen, es für sich einmal besser zu machen. Gerade der Eintritt in den Ruhestand und der damit einhergehende Veränderungsprozess bietet die Chance sich aktiv auf den Weg zu machen, Lösungen herbeizuführen.
Die Wohnschule als mögliche Alternative
Auch wenn das Thema in den Medien immer präsenter wird und auch die Literatur und der Film das Thema der alternden Gesellschaft entdeckt hat, so muss doch noch mehr getan werden. Die Wohnungswirtschaft hat das Thema jahrelang vernachlässigt. Es gibt viel zu wenige kleine Wohneinheiten, zu wenig barrierefrei ausgestattete und zu wenig bezahlbare Wohnungen. Wir müssen mehr Menschen für das Thema begeistern, Aufklärungsarbeit betreiben.
Was also tun? Die „Wohnschule Köln“ hat ein Lernprogramm zum Thema Wohnen im Alter entwickelt. Mit Hilfe von Multiplikatorenschulungen verbreitet sich diese Idee gerade über ganz Deutschland. Mitentwickelt wurde das Konzept von der Diplompädagogin Karin Nell im Jahre 2013. Sie bezeichnet die Wohnschule als „Denkfabrik“ – als einen „spannenden Ort, der Menschen dazu einlädt und befähigt, Zukunft gemeinsam zu gestalten.“ Das Besondere an dem Konzept ist es, dass nicht vorgefertigte Lösungen präsentiert werden und nicht im Frontalunterricht Wissen vermittelt wird, sondern dass sich die Teilnehmer mit Hilfe von Workshops dem Thema nähern.
Wohnidee aktiv gestalten
Man ermuntert Sie, Visionen zu entwickeln und frei von der Umsetzbarkeit ihr Idealbild der Wohnform im Alter zu entwerfen. Das kann am besten mit kreativen Angeboten erreicht werden. Die Kursteilnehmer basteln, malen und werken. So entstehen Ideen, die man sonst nicht hätte in Worte fassen können. Es werden auch ungewöhnliche Anlässe geboten, sich dem Thema zu nähern. Zum Beispiel kann ein Museumsbesuch im Völkerkundemuseum aufzeigen, wie verschiedene Kulturen gewohnt haben und so die Diskussion anregen.
Der Bau eines Modells einer kleinen Wohneinheit ermöglicht die Annäherung an die Fragestellung, was brauche ich eigentlich zum Leben und auf was kann ich verzichten. Unbewusst stellt man sich seinen Zukunftsängsten. Gerade der Austausch mit anderen, die sich ähnliche Fragen stellen, lässt Vieles einfacher und klarer erscheinen. Auch Exkursionen zu Vorbildprojekten und der Erfahrungsschatz deren Bewohner helfen bei der Entscheidungsfindung.
In den Workshops behandelt man Themen wie: Was will ich bei einem Umzug unbedingt mitnehmen? Wie trenne ich mich von Dingen? Welche Wohnalternativen gibt es und welche kann ich mir für mich vorstellen? Suche ich ein Leben in Gemeinschaft oder will ich alleine wohnen? Kann ich das gemeinsame Wohnen erst mal ausprobieren? Wo gibt es gute Beispiele? Auch die unbequemen Fragen spart man nicht aus, wie zum Beispiel: Kann ich mir das überhaupt leisten? Die Teilnehmer erkennen schnell, welche Bandbreite und Tragweite das Thema Wohnen hat.
Offener und kreativer Umgang mit der Veränderung
Wichtig ist zu wissen, dass oftmals schon der Gedanke, einen Plan für das Alter zu haben, Ängste nimmt und Sicherheit vermittelt. Auch wenn man nicht direkt in die Umsetzung geht. Eine Entscheidung braucht Zeit zu reifen und ist ein Prozess, manchmal über Jahre hin zu der richtigen Wohnform. Deshalb ist es so wichtig, sich frühzeitig damit zu beschäftigen.
Wir brauchen solche tollen und kreativen Anlässe uns mit dem Thema Wohnen im Alter zu beschäftigen und deshalb sage ich zu dem Bildungsangebot der „Wohnschule“ – ja, diese Schule brauchen wir unbedingt!
Herzlichst
Ihre Sabine van Waasen