Erfolg kennt keine Altersgrenze: Die mittlerweile 102 Jahre alte Künstlerin Carmen Herrera wurde vom Kunstmarkt lange ignoriert. Ihr erstes Bild verkaufte sie im Alter von 89 Jahren. Jetzt würdigt eine große Ausstellung ihr Werk.
Mit der bisher größten Ausstellung von Werken aus sieben Jahrzehnten präsentiert die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Kooperation mit dem Whitney Museum of Modern Art die kubanisch-amerikanische Künstlerin, die zu den Pionierinnen der geometrischen Abstraktion in Amerika zählt. Die Ausstellung zeigt rund 70 Werke aus den Bereichen Malerei, Grafik und Skulptur von 1947 bis 2017. Bis heute entstehen im New Yorker Atelier von Carmen Herrera jeden Tag ihre radikalen Farbflächenbilder, die nichts von ihrer Signalwirkung eingebüßt haben. Ob rund, eckig oder rautenförmig, mit scharfer Linienführung und klaren, bestechenden Farben – die Werke Carmen Herreras ziehen den Betrachter in ihren Bann.
Carmen Herrera: 50 Jahre lang blieb ihre Kunst unbeachtet
Am Ende einer schwarzen Treppe direkt unter dem Dach eines schmalen Hauses neben dem Gramercy Park Animal Hospital im New Yorker Stadtteil Manhattan wohnt und arbeitet Carmen Herrera – seit mehr als 60 Jahren und über mehr als 50 Jahre lang fast gänzlich unbeachtet von der Öffentlichkeit. Ihr Mann Jesse Loewenthal war bis zu seinem Tod ihr größter Fan und bedingungsloser Mentor, der an sie und ihre Kunst glaubte. Er war Teil der New Yorker jüdischen intellektuellen Szene und unterrichtete als Lehrer an der Stuyvesant Highschool. Morgens ging er zur Arbeit, Carmen Herrera blieb allein zurück und malte. Zwei Stipendien der kubanischen Cintas Foundation waren die einzigen finanziellen Zuwendungen außerhalb ihrer symbiotischen Zweisamkeit.
Die Eltern fördern ihr Talent
Carmen Herrera wuchs als jüngstes von sieben Geschwistern in Havanna auf. Ihre Mutter, Carmela Nieto, war eine bekannte Feministin und eine der ersten weiblichen Journalisten Kubas. Ihr Vater, Antonio Herrera, war Herausgeber und Autor der kubanischen Zeitung El Mundo. Das unkonventionelle Paar erkannte und förderte Carmens Begabung. Sie erhielt früh Zeichenunterricht und ging mit fünfzehn Jahren zur weiteren Ausbildung für ein Jahr nach Paris. Nach dem Abitur in Havanna studierte sie dort zunächst Architektur und lernte den deutschstämmigen Amerikaner Jesse Loewenthal kennen. Zwei Jahre nach ihrer Heirat zog das Paar 1939 nach New York, wo Carmen Herrera an der Kunstakademie Art Students League of New York Malerei studierte.
Erste Ausstellung 1998 in New York
Zu ihren Freunden zählten berühmte Künstler wie Barnett Newman aus dem Umfeld des neu aufgekommenen Abstrakten Expressionismus. Während ihrer Jahre in Paris wurde sie 1949 Mitglied der Gruppe Salon des Réalités Nouvelles und bewegte sich in den Kunst- und Literaturkreisen der Pariser Nachkriegszeit.1952 schuf sie die ersten radikal geometrischen Abstraktionen, es entstand eine Serie schwarz-weißer Streifenbilder. Das Paar kehrte 1954 nach New York zurück, wo Herrera bald danach ihre wohl wichtigste Serie “Blanco y Verde” (1959–1971) konzipierte. 1998 hatte sie im El Museo del Barrio in East Harlem in Manhattan eine erste Ausstellung und verkaufte erstmals eines ihrer Werke.
Inzwischen befinden sich Bilder von ihr in vielen berühmten Sammlungen wie dem New Yorker Museum of Modern Art oder der Londoner Tate Gallery. Ruhm verändere die meisten Menschen nicht, hat Carmen Herrera einmal gesagt, er störe sie aber bei der Arbeit. Und doch antwortete sie in einem Zeitungsinterview auf die Frage, wie es sich anfühlt, jahrzehntelang übersehen zu werden, während rechts und links ihr bekannte Künstler Erfolg hatten: „Ich konnte diesen Zustand nicht ausstehen!“
Die Ausstellung „Lines of Sight“ mit Werken von Carmen Herrera ist noch bis zum 8. April 2018 zu sehen.
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