An einem Samstag im Juli war ich zum Frühstückstreffen von Gründerinnen verabredet. Eine nette ältere Frau stieß spontan zu unserer Versammlung, eigentlich suchte sie eine andere Gruppe. Als weibliche Gründerin passte sie bestens zu uns; sie ist seit 1978 selbstständig. Ohne ihren Geburtsjahrgang (1948) zu erfahren, hätten wir sie jünger geschätzt. Das liegt besonders an ihrer positiven Ausstrahlung. Brigitte Nolting ruht in sich und ist Neuem gegenüber aufgeschlossen. Sie hat viel Kontakt zu Jüngeren, da Frauen in ihrem Alter selten ähnliche Interessen haben.
Im fernen Indien Veränderungsprozesse anstoßen
Schnell erfuhren wir, dass sie schon viele Jahre als Coach tätig ist und sich auf die Beratung von Frauen in der zweiten Lebenshälfte spezialisiert hat. Da zu starken (beruflichen) Veränderungen ein Blick von außen gut passt, bietet sie Urlaubsseminare an. Im indischen Goa begleitet sie eine Woche lang Frauen, die eine berufliche Neuorientierung planen, um sie ihr gesamtes Potenzial entdecken zu lassen. Sie ist überzeugt: „Frauen sind sehr kraftvolle Wesen, und wenn sie ihren Weg klar sehen, können sie ihn gehen!“
Zielstrebig und voller Neugier
Eine Grundhaltung von Brigitte ist, sich keine Grenzen setzen zu lassen, weder vom Alter noch durch andere Menschen oder die Technik. Das führt dazu, dass sie abenteuerliche Reisen unternimmt und sich ohne Scheu auf die Digitalisierung einlässt. Stößt sie bei der Technik an ihre Grenzen, fragt sie in Facebook-Gruppen um Rat.
Mich interessiert, welche Errungenschaft der Digitalisierung ihr am besten gefällt und sie bei ihren beruflichen und privaten Zielen am meisten unterstützt. Brigitte erklärt begeistert: „Mir gefallen viele technische Errungenschaften gut, besonders Skype in Verbindung mit Teamviewer. Habe ich in Indien ein technisches Problem, nehme ich Kontakt mit meinem “Technikfuchs” auf. Er guckt direkt auf meinen Bildschirm und in Dateien oder Programme. Über Skype erzählt er mir, wo es hängt und was ich tun muss oder macht es gleich selbst in dem Programm, das zickt. Diese Möglichkeit finde ich großartig. Auch mit Onlinebanking hat sie keine Berührungsängste, im Gegenteil: „Wenn es eine größere Sache ist, die länger dauert, schickt er mir die Rechnung per mail als pdf und ich bezahle sie per Online-Überweisung. Ganz easy-peasy, ohne die Schneckenpost bemühen zu müssen. Skype, zoom.us oder ähnliche Plattformen ermöglichen es mir, den Winter in Indien zu verbringen. Ich kann von dort meine Arbeit genauso machen wie von Frankfurt aus.“
Unabhängiges Reisen und Leben
Einer Frau des Geburtsjahrgangs 1948 wurde ein unabhängiges Leben nicht unbedingt in die Wiege gelegt. Auch bei Brigitte war es ein lebenslanger intensiver Prozess, der noch fortdauert.
Brigitte überwintert gerne in Indien und reist auch sonst viel, meist alleine. In Thailand hatte sie ein tolles Erlebnis: „Ich lernte einen sympathischen Tempelführer kennen, der mich zum Abendessen mit seiner Familie einlud. Habe die Einladung gerne angenommen, aber nicht geahnt, wie weit es zu ihm nach Hause ist. Ich konnte abends nicht mehr zurück ins Hotel, weil keine Busse mehr fuhren. Seine Frau räumte ein Zimmerchen in der Hütte für mich frei und gab mir irgendwelche Fasern als Zahnbürstenersatz. Ich habe mich dort sehr wohl gefühlt und bin drei Tage geblieben. War spannend, das Leben in einem kleinen thailändischen Dorf mitzuerleben. Morgens badete ich mit den Frauen im Fluss und dann ging ich auf den Markt. Als ich nach drei Tagen ins Hotel zurückkam, war dort schon Panik ausgebrochen. Sie hatten mich gerade bei der Deutschen Botschaft als vermisst gemeldet und waren ziemlich sauer, als ich mit bester Laune in die Hotellobby spaziert kam.“
Tipps für Alleinreisende
Ich fragte Brigitte, wie sich Reisen am besten planen lassen, gerade für Frauen, die noch nie alleine verreist sind. Brigitte erklärt: „Sei neugierig und höre im Zweifel auf Dein Bauchgefühl! Es gibt ein Reiseunternehmen, bei dem man beispielsweise einen Flug nach X buchen kann und dort ein Hotel. Dann wirst Du nach ein paar Tagen vom Hotel abgeholt und in den Zug nach Y gesetzt, dort abgeholt und ins Hotel gebracht usw. Das könnte eine Möglichkeit sein, alleine unterwegs zu sein, aber immer Ansprechpartner und einen gewissen Schutz zu haben. Oder man fängt mit kleinen Reisen an wie zum Beispiel einem langen Wochenende in Madrid oder Oslo.“
Die grauen Zellen fit halten
Zu guter Letzt wollte ich von ihr wissen, wie sie sich jung und fit hält. Brigitte muss nicht lange nachdenken: „Wenn Du Dein Gehirn mit Lernen beschäftigst, bleiben die grauen Zellen automatisch jung und beweglich. Ich achte auf meine Ernährung und pflege meinen Körper mit geeigneten Produkten mit viel Natur und wenig Schadstoffen. Und ich beschäftige mich viel mit Meditation und anderen Mentaltechniken, lese viel, und lerne auf meinen Reisen andere Kulturen und Lebensweisen kennen. Das hat mich bisher ziemlich jung gehalten. Ich bin sehr dankbar für das Leben, das ich führen darf und glaube auch, dass mein Optimismus mich jung hält. Ich sehe in jeder “Katastrophe” die mir passiert eine Chance für Neues, eine verborgene Botschaft. Nach dem Motto: “Wenn das Leben dir Zitronen vor die Füße rollt, mach Limonade draus!”