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Alaaf und Helau, es ist Faschingszeit, Karneval, Fassenacht! Für die einen die tollste Zeit des Jahres, für die anderen Anlass zur Flucht in „faschingsfreie“ Zonen.

Zeit, im Rahmen unserer Fibel einmal darüber nachzusinnen, ob beim Thema Demenz generell Schluss mit lustig ist. Gelegenheit, das Thema „Humor und Demenz“ einmal unter die Lupe zu nehmen, und es unter unseren bewährten Stichworten erspüren – verstehen – handeln zu beleuchten.

Erspüren:

„Humor ist keine Gabe des Geistes, es ist eine Gabe des Herzens“ (L. Börne). Und diese Herzensangelegenheit ist Ausdruck von Kreativität – einer Form von Kreativität, die wir als „Gesunde“ Menschen mit Demenz als Gegenüber gerne absprechen. Eine Form von Kreativität, die wir „Gesunde“ mit unserem Fokus auf Normen und Konventionen gern übersehen.

Humor ist, wenn man trotzdem lacht

Zu einem Gottesdienst in einer Senioreneinrichtung hatte man eine Dame in der ersten Reihe platziert, war sie doch lange Jahre selbst mit einem evangelischen Pastor verheiratet gewesen. Nun mit einer Demenzerkrankung lebend, weckte die vertraute Liturgie genau jene humorig-kreativen Fähigkeiten in ihr. Und so unterbrach sie den Pfarrer bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit den Worten „Ich bin der Herr Pastor. Ich predige Euch was vor. Und wenn ich nicht mehr weiter kann, dann fang ich wieder von vorne an.“

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Humor ist wenn man trotzdem lacht. Viele schwierige Situationen lassen sich mit der nötigen Portion Humor leicht und für alle Beteiligten gut auflösen. Bildquelle: shutterstock.com
Humor ist wenn man trotzdem lacht. Viele schwierige Situationen lassen sich mit der nötigen Portion Humor leicht und für alle Beteiligten gut auflösen. Bildquelle: shutterstock.com

Entsetzte Blicke seitens ihrer Verwandtschaft und des begleitenden Pflegepersonals wandelten sich unter dem Lachen des Pfarrers in strahlend-glänzende Augen. Mein persönliches Highlight in diesem Gottesdienst: Der verschmitzte Blick, mit dem die Dame mich beschenkte, als sie das Eurostück, das man ihr für die Kollekte am Ausgang zugesteckt hatte, zum Abendmahl im Weinkelch versenkte.

Zugegeben, beim Thema Demenz kann einem schon mal das Lachen im Hals stecken bleiben. Besonders, wenn wir am geliebten Partner, an der geliebten Mutter, der Freundin, dem Vater Verhaltensweisen erleben, die wir aus Zeiten vor der Erkrankung von dieser Person so nicht kennen. Wenn offene Aggression unseren Alltag bestimmt.

Verstehen:

„Lachen ist gesund“ sagt der Volksmund und es stimmt. Miteinander lachen setzt Glückshormone frei, hemmt Schmerzen, Angst, Panik und Aggression. Es mag uns paradox erscheinen: doch Humor ist eine der stärksten Waffen im Umgang mit erlebter Aggressivität. Haben Sie schon einmal ein trotziges, schreiendes Kind an der Hand seiner Mutter im Supermarkt erlebt? Diese Situation hat häufig eine ungewollte Komik. Reagieren wir als Mutter oder Vater auf diese Stress-Situation mit Gelassenheit und sind wir in der Lage, diese Komik zu leben und hervorzukitzeln, kippt die ganze Stimmung. Und nicht selten lachen die Kinder über sich selbst.

Sicher haben Sie schon einmal den Ausspruch gehört, dass Gefühle nicht dement werden. Der oftmals ganz feinfühlige, tiefe Sinn für Humor als eine zutiefst ureigene Eigenschaft unserer Persönlichkeit bleibt im Rahmen der Demenz erhalten.

Die Sache mit dem Nachthemd

Für einen Video-Dreh an einem heißen Tag im Sommer wurde ich von der Produktionsleitung erinnert, dass ich vor der Kamera keine Kleidung mit auffälligem Muster, nichts Rotes, Weißes oder Schwarzes tragen solle. Glücklich die Herausforderung gemeistert zu haben, traf ich bekleidet mit einem hellblauen Blusenkleid am Drehort ein. Dort winkte mich ein Herr mit einer Demenzerkrankung aufgeregt zu sich. „Sie sind ja ganz aufgeregt“, sagte ich. „Na, wenn Du auch am helligen Tag hier im Nachthemd herumläufst?!“ war seine Antwort. Eine Antwort, die ein besserer Spiegel hätte nicht sein können. Wie oft mag er schon Situationen erlebt haben, in dem er zurechtgewiesen wurde, dass er nicht die „richtige“ Kleidung trägt?

Das hellblaue Blusenkleid hat für so manche lustige Situation gesorgt. Bildquelle: © Jörg Plechinger für AOK Verlag
Das hellblaue Blusenkleid hat für so manche lustige Situation gesorgt. Bildquelle: © Jörg Plechinger für AOK Verlag

Jährlich erscheint der Kalender „Demensch“ des Cartoonisten Peter Gaymann, der das Thema Demenz humoristisch beleuchtet. Peter Gaymann macht keine Witze über Menschen mit Demenz. Seine Zeichnungen sind niemals kränkend oder beschämend. Sie rücken – wie die Geschichte mit dem Nachthemd – den tiefen Sinn, die Feinfühligkeit, die Kreativität, die Fähigkeiten der Herzensbildung von Menschen mit Demenz in den Mittelpunkt. Und darum geht es:

  • Dass wir als Begleiter von Menschen mit Demenz über den Humor unsere Opferhaltung verlassen können.
  • Dass wir ins Tun und ins Handeln kommen.
  • Dass wir uns erinnern, dass wir die Fähigkeiten für den Umgang mit Aggression in uns tragen.
  • Dass wir uns erinnern, Situationen nicht gleich und vor allem nicht ausschließlich nach unseren Maßstäben zu bewerten.
  • Dass wir uns erinnern, dass jeder Moment verschiedene Facetten hat.

Handeln:

Wann haben Sie zuletzt über sich selbst gelacht? Sich selbst nicht so ernst nehmen, ist oft gar nicht so leicht – vor allem nicht, wenn der Alltag mit Menschen mit Demenz uns herausfordert. Doch erste Schritt ist immer unser eigener. Wir sind gefordert, uns selbst nicht so wichtig und uns selbst nicht so ernst zu nehmen. Wie das angesichts des Alltags mit Menschen mit Demenz gelingen soll, fragen Sie? Schauen Sie hin. Menschen mit Demenz sind unsere besten Lehrmeister im Erkennen, dass trotz und mit der täglichen Erfahrung des Scheiterns ein Leben mit emotionalem Tiefgang gelingt. Sie sind unsere besten Lehrmeister darin zu erkennen, dass Lachen und Weinen zwei Seiten derselben Medaille sind.

Gelassenheit und Humor

Von einem weiteren klugen Menschen stammt dieses Zitat: „Wer über sich selbst lachen kann, wird am ehesten ernst genommen“. Helfen Sie sich und anderen, Situationen, die nicht in unserer Konventionen passen, mit Gelassenheit und Humor zu begegnen (Karneval ist übrigens die Zeit, in der wir häufig bewusst außerhalb der uns selbst auferlegten Normen leben, hier werfen wir „erlaubtermaßen“ Konventionen über Bord). Lachen Sie miteinander, wann immer Ihnen danach ist. Lachen ist ansteckend.

"Humor ist Trumpf" - Susanne Bötel alias Rosalore zaubert den Menschen ein Lächeln auf das Gesicht. Quelle: ©Michael Hagedorn
“Humor ist Trumpf” – Susanne Bötel alias Rosalore zaubert den Menschen ein Lächeln auf das Gesicht. Quelle: ©Michael Hagedorn

Die Kunstbegleiterin für Menschen mit Demenz, Susanne Bötel, verwandelt sich in Clownin Rosalore, und bietet damit viel Projektionsfläche für Weinen, Lachen und die ganze Bandbreite unserer Emotionen. Sie gibt Humor-Workshops und Trainings für Pflegekräfte und Angehörige und rückt darüber diese Herzensgabe in den Fokus. Holen Sie sich Unterstützung und schauen Sie mal rein: www.rosalore.de.

„Humor ist der Knopf, der verhindert, dass uns der Kragen platzt“ sagte der Schriftsteller Ringelnatz. Ich wünsche Ihnen von Herzen, dass es Ihnen in den Herausforderungen der Begegnungen mit Menschen mit und ohne Demenz gelingt, diesen Knopf immer rechtzeitig zu öffnen, einen Schritt zurückzutreten und die Situation von vielen Seiten zu betrachten.

Sie haben Fragen und/oder möchten Rückmeldung geben? Schreiben Sie mir. Ich freue mich auf Ihre Zeilen. Sie möchten mehr erfahren? Das können Sie bspw. in meinen Seminaren. Besuchen Sie mich auf meiner Website.

Herzlichst, Ihre

 

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