Das Thema Demenz geht uns alle an. Wir leben länger, sodass das Risiko an einer Demenz zu erkranken gleichfalls zunimmt. Erkrankte Menschen in die Gesellschaft zu integrieren ist eine wichtige Aufgabe. Es geht nicht nur um die Versorgung zu Hause oder in einem Heim. Wie können wir das Erinnerungsvermögen der Demenzkranken kräftigen und ihnen trotz der Einschränkung schöne Stunden bereiten? Kann die Begegnung mit Kunst die Menschen nachhaltig anregen?
Demenz im Museum – was sagen die Wissenschaftler?
Vor ein paar Jahren begann das Städel Museum, sich näher mit Demenz zu beschäftigen. Aufgrund der Komplexität der Erkrankung wurde die Unterstützung durch Demenzforscher dankend angenommen. Professor Dr. Pantel von der Goethe-Universität Frankfurt leitet eine wissenschaftliche Studie, um die positive Auswirkung von Kunst auf Demenzpatienten zu untersuchen. Als Projektpartner entwickelte das Städel Museum 2014 thematische Kunstführungen und ergänzte sie durch kreative Arbeit in Ateliers.
Wissenschaftler der Altersmedizin und Psychologie der Goethe-Universität Frankfurt begleiteten das Angebot und untersuchten zwei Jahre lang, ob Kunstführungen auf Demenzkranke positiv wirken. Die Antwort lautete eindeutig: „Ja!“ Mittlerweile gehören die Führungen und Atelierworkshops für Demenzkranke zum festen Angebot des Kunstmuseums. Zu der therapeutischen Wirkung gehört auch, dass sich die Beziehung zwischen dem Kranken und seinen Betreuern verbessert.
Was kann das Erleben von Kunst bei Demenzpatienten auslösen?
Chantal Eschenfelder leitet die Bildung & Vermittlung des Städel Museums in Frankfurt. Sie erlebt, wie intensiv Kunst auf Demenzkranke wirken kann: „Es ist immer wieder überwältigend, Kunst als Impulsgeber, als Auslöser von emotionalen Prozessen zu erleben. Das Kunsterlebnis befördert eine intensivere Auseinandersetzung mit sich selbst und der Welt, es schärft die Sinne und bringt Menschen ins Gespräch. Menschen mit Demenz zeigen häufiger spontane Gefühlsreaktionen, die mitunter weniger gefiltert ausfallen als bei anderen.“ Frau Eschenfelder berichtet von einem intensiven Moment: „Bei einem Teilnehmer weckte das nach Yves Kleins „Blauem Schwammrelief“ geschaffene Bild aus dunklen Steinen und in tiefblauer Farbe getränkten Schwämmen Erinnerungen an die Trümmer seiner zerbombten Heimatstadt. Seine Tochter war als Begleitperson dabei und konnte diese Assoziation aus ihrer Kenntnis alter Familienfotos bestätigen. So regte die Kunst das Erinnerungsvermögen des Patienten an und Familiengeschichte wurde gemeinsam erinnert, was in dem von Krankheit bestimmten Alltag häufig nicht mehr möglich ist.“
Das Angebot des Städel Museums
Um den Bedürfnissen der Demenzkranken zu entsprechen, hält das Museum die Teilnehmerzahl klein. An der Führung nehmen Paare teil, ein betreuender Angehöriger begleitet den dementen Menschen. Eine Gruppe von maximal zwölf Personen, also sechs Paaren, trifft sich innerhalb von sechs Wochen dreimal. Für die Teilnahme darf sich die Demenz erst im leichten bis mittleren Stadium befinden.
Frau Eschenfelder berichtet uns, dass immer mehr Museen Programme für Menschen mit Demenz anbieten. Sie erzählt: „Unter den ersten waren das Kunstmuseum Bonn und das Lehmbruck Museum in Duisburg. Auch das Stadtmuseum Köln oder die Opelvillen in Rüsselsheim bieten Beispiele für solche Initiativen.“ Im Historischen Museum Bielefeld können Demenzkranke Erinnerungsinseln aufspüren. Das Niederrheinische Freilichtmuseum, die RuhrKunstMuseen sowie weitere Museen der Ruhrregion bieten Angebote für Menschen, die an Demenz erkrankt sind.