Dieter Hallervorden ist einer der beliebtesten deutschen Entertainer. Auch als Regisseur, Kabarettist und Schauspieler begeistert er das Publikum wie in dem Kinofilm “Honig im Kopf”, in dem er einen an Alzheimer erkrankten Großvater spielt. Aktuell ist Dieter Hallervorden in einer Komödie als rollstuhlfahrendes Ekel und Misanthrop zu sehen. Trotz Interviewmarathon hat uns der 83-Jährige verraten, wie viel von der Rolle in ihm steckt und was ihm im Alter leichter fällt als früher.
Herr Hallervorden, Sie sind gerade auf den Münchener Pressetagen. Wie viele Interviews haben Sie heute schon gegeben?
Ich habe nicht mitgezählt, aber zwölf werden es schon gewesen sein.
In der Komödie “Mein Freund, das Ekel” spielen Sie Olaf Hintz, der im Rollstuhl sitzt und seine Umgebung tyrannisiert. Hat Ihnen diese Perspektive einen anderen Blick auf Ihr eigenes Leben eröffnet?
Nein, das ist nicht der Fall. Ich musste mir vor allem überlegen, welche neuen Facetten ich einbringen kann, um die Rolle unterschiedlich zu gestalten. Mich beschäftigt die Frage, was ich dem Publikum zeigen kann, damit sie mich als Schauspieler nochmal in einer anderen Art und Weise kennenlernen. Dafür bot die Rolle des Olaf Hinz ja genügend Möglichkeiten.
In welchen Situationen sind Sie ein richtiges Ekel?
Es kommt immer darauf an, wer mich in welchem Umfang an die Grenzen meiner Selbstbeherrschung bringt. Ich kann sehr geduldig sein, aber wenn es innerlich brodelt, kann ich auch ordentlich Dampf ablassen. Da kann ich an die Decke geh’n wie ‘ne geschüttelte Sektflasche.
Der Film greift viele Themen auf: Solidarität zu zeigen mit Älteren oder alleinerziehenden Müttern oder das Leben in einer altersgemischten Wohngemeinschaft. Wäre dieses Wohnmodell für Sie vorstellbar?
Ich bin glücklicherweise kein Griesgram und neige vor allen Dingen nicht dazu, negative Dinge auf mein privates Umfeld einwirken zu lassen. Auf der anderen Seite kann ich mir nicht vorstellen, mit wildfremden Leuten zusammenzuleben. Ich bin sehr individualistisch und treffe private Entscheidungen nach Gesichtspunkten, mit denen es mir gut gehen kann. Alles, was ich als Olaf Hintz erlebe, trifft glücklicherweise auf mich in keiner Weise zu.
Wie schaffen Sie es, dass man Olaf Hintz im Laufe des Films trotzdem sympathisch findet?
Es ist – in Anführungsstrichen – die Kunst, die Rolle mit Seele zu erfüllen. Das heißt, man muss so spielen, dass die Leute diese Figur, die anfangs als Ekel erscheint, interessant finden und sie dann im Laufe der Geschichte Verständnis für seine Situation aufbringen. Und letzten Endes auch bemerken, dass es wichtig ist, den Standpunkt, den man hatte, zu revidieren und dass es möglich ist, auch im höheren Alter dazuzulernen.
Wie Olaf Hinz, der nach 20 Jahren wieder Kontakt zu seiner Tochter aufnimmt. Ist es diese Entwicklung, die Sie an der Rolle gereizt hat?
Die Rolle ist ja tiefgründig, da ein Charakter vorgegeben ist, der sich im Laufe der Geschichte wandelt. Von der anfänglichen totalen Abkehr und Abschottung nach Außen gibt er zu erkennen, dass er offen ist für Versöhnung und Umdenken. Darüberhinaus spielen noch andere Themen eine Rolle, die mit unserem Leben zusammenhängen wie Analphabetismus oder die Not von alleinerziehenden Müttern, die Kompromisse eingehen müssen, weil sie sonst ihr Leben gar nicht stemmen können. Das ist wichtig für den Film, da er dadurch keine oberflächliche Komödie ist. Ausschlaggebend war für mich natürlich die Tatsache, dass ich mit einer tollen Kollegin zusammenspielen konnte. Der Film würde ohne Alwara Höfels als alleinerziehende Mutter nicht so gut funktionieren.
Neben Ihren Filmprojekten leiten Sie das Kabarett-Theater Die Wühlmäuse und das Schlosspark Theater in Berlin, wo Sie auch auf der Bühne stehen. Woher nehmen Sie die Energie?
Ich nehme mir nicht die Energie, sie ist in mir. Zeit meines Lebens bin ich immer gerne aktiv gewesen, sowohl beruflich als auch in meinem Privatleben. Ich gehe sicherlich auch mal ins Kino, aber ich hocke nicht ständig vor dem Fernseher. Musik dagegen kann gerne dudeln, das finde ich super. Ansonsten lenke ich mich lieber ab durch Lesen und durch die Vorbereitung auf meine Arbeit. Ich lasse mir tunlichst auch genügend Zeit für mein Privatleben, um die Batterien aufzuladen und vor allem, um das Leben zu genießen. Wenn die Arbeit zum Hauptzeitvertreib wird, dann läuft irgend etwas falsch.
Sie leben schon länger abwechselnd in Berlin und in der Bretagne.
Da ich zwei Theater in Berlin habe, kann ich das Domizil in der Bretagne nur spärlich nutzen, aber auch das gehört dazu, um mal richtig abzuschalten.
Sie arbeiten seit sechs Jahrzehnten als Schauspieler, Kabarettist, Sänger, Moderator und Theaterleiter. Gibt es denn überhaupt noch etwas, was Sie beruflich reizen würde?
Zu Beginn meiner elften Spielzeit am Schlossparktheater werde ich in einem Stück vier verschiedene Rollen spielen. Und ich habe zusammen mit meiner Frau ein Stück in Paris entdeckt, das ich übersetzt habe und das als deutsche Erstaufführung rauskommen wird. Es heißt “Gottes Lebenslauf” und ich werde in die Rolle des Gottes schlüpfen.
Darauf können die Zuschauer ja gespannt sein. Was können Sie im Alter besser als das früher der Fall war?
Ich habe bedeutend mehr Geduld bei Interviewmarathons! Ich glaube, dass ich die Qualität von Theaterstücken und Drehbüchern besser beurteilen kann, weil ich gelernt habe, sie aus der Sicht des Zuschauers zu betrachten und zu beurteilen. Und ich habe mir im hohen Alter angewöhnt, Stress nicht so nah an mich herankommen zu lassen. Ich habe zwar nach wie vor Lampenfieber, aber in einem kontrollierbaren Maß, was früher nicht der Fall war. Ich versuche zu begreifen, dass es im Berufsleben wichtigere Dinge gibt als einen Versprecher oder einen Texthänger und damit fahre ich ganz gut.
In den 70er-Jahren waren Sie mit der Show “Spotlight” und Sketchen wie “Palim, palim, eine Flasche Pommes frites bitte” erfolgreich. Schauen Sie sich Ihre alten Sketche noch an?
Normalerweise nicht. Aber heute morgen beim Warten auf eine Dame, die mir den Rücken massieren sollte, weil das Bett im Hotel so schlecht war, habe ich mir einen Sketch angeschaut, weil er mir beim Handy befummeln zufällig unterkam. Sonst blicke ich nicht so gerne in die Vergangenheit zurück. Mich interessiert die Zukunft oder das, was im Moment passiert. Es geht darum, den Augenblick, den man gerade erlebt, zu genießen.
Wir bedanken uns für das Gespräch. Viel Erfolg und alles Gute, Herr Hallervorden!
Am 9. Mai um 20:15 Uhr ist Dieter Hallervorden im ZDF in der Komödie “Mein Freund, das Ekel” zu sehen. Ein Film, der nachdenklich und Spaß zugleicht macht. Sehenswert!