Was bleibt von mir, wenn ich nicht mehr da bin? Die Initiative „Mein Erbe tut Gutes. Das Prinzip Apfelbaum“ informiert und regt zum Nachdenken an über ein Thema, das immer mehr Menschen wichtig ist: Mit einem Testament die eigenen Werte auch über den Tod hinaus wirken zu lassen und etwas Bleibendes zu schaffen. Wie dies gelingen kann, erläutert die Sprecherin der Initiative Susanne Anger.
Frau Anger, was möchte die Initiative erreichen?
Viele Menschen denken, sie können nur gemeinnützig vererben, wenn sie ganz viel Geld haben. Dabei kann man auch mit kleinen Beträgen viel Gutes tun. Oder sie müssten ihre Kinder enterben. Was gar nicht geht, weil unser Erbrecht den Pflichtteil vorsieht. Es gibt viele Irrtümer und einen großen Bedarf an Information und Wissenslücken, die gefüllt werden müssen. Das war der Grund, warum vor fünf Jahren 23 Organisationen und Stiftungen die Initiative gegründet haben. Um Interessenten die Möglichkeiten zu geben, sich unverbindlich und umfassend zu informieren.
Unser Anliegen ist es, die Menschen zum Nachdenken darüber anzuregen, wie sie ihre Werte am besten weitergeben können. Wir möchten das gemeinnützige Vererben ins Bewusstsein rücken, weil viele gar nicht wissen, dass dies möglich ist. Und darüber informieren, dass das Testament im deutschen Erbrecht die Voraussetzung dafür ist. Die Idee gibt es schon seit Platon. Die älteste deutsche Stiftung hat der berühmte Kaufmann Jakob Fugger vor knapp 500 Jahren in Augsburg gegründet.
Es gibt vieles zu beachten beim Vererben an gemeinnützige Organisationen. Welche Form der Unterstützung bieten Sie an?
Informationen und Rat kann man bei uns auf unterschiedliche Weise erhalten. Ganz konkret gibt es auf der Website www.mein-erbe-tut-gutes.de übersichtlich aufbereitete Informationen, Veranstaltungstermine und fachkundige Ansprechpartner. Wer sich persönlich informieren möchte, kann das Servicetelefon anrufen oder eine Broschüre bestellen oder eine Veranstaltung von uns besuchen.
Woher wissen Sie, dass es einen Bedarf zu diesem Thema gibt?
Wir haben eine repräsentative Umfrage gemacht und haben zu unserer Überraschung festgestellt, dass sich jeder Zehnte vorstellen kann, einen Teil seines Erbes einem gemeinnützigen Zweck zu vermachen. Bei den Kinderlosen ist es sogar jeder Dritte. Hinzu kommt, dass in den kommenden Jahren 3,1 Billionen Euro weitergegeben werden. Das liegt auch daran, dass wir über eine lange Zeit eine Friedensperiode und zudem eine wirtschaftlich gute Lage hatten und dadurch viele Werte wachsen konnten, die nun heute vererbt werden.
Immer mehr Menschen möchten also mit ihrem Erbe über den Tod hinaus Gutes tun. Was sind die Beweggründe?
Der Hauptbeweggrund, der bei unserer Umfrage genannt wurde, war: “Ich möchte meine Werte weitergeben“. Fast gleichauf der Grund, sich dafür zu bedanken, dass es einem gut ergangen ist. Oder die Befragten möchten der Gesellschaft etwas zurückgeben. Es gibt auch religiöse Motive, die eine Rolle spielen und bei den Kinderlosen, dass der Staat nichts erben soll. Die Gründe sind sehr stark werteorientiert. Im Mittelpunkt steht der Wunsch, dass das, was einem im Leben wichtig war, auch nach dem Tod Bestand haben soll. Das ist ja auch genau das Prinzip Apfelbaum, das Sinnbild des Apfelbaums, der immer wieder Früchte trägt.
Über den Tod und Geld zu reden, ist in Deutschland tabu. Sie rücken beide Themen in den Mittelpunkt. Wie reagieren die Menschen darauf?
Die Leute sind so dankbar, wenn sie darüber mit einer neutralen Person reden können. In unserer Umfrage haben wir auch die Erben gefragt, ob sie enttäuscht sind, wenn sie nicht alles bekommen. Für über 80 Prozent war das völlig in Ordnung. Nach dem Motto: „Wenn meine Eltern das so möchten, dann respektiere ich das. Deshalb mag ich sie ja auch, weil sie Werte haben“.
Die Deutschen sind ja ordentliche Menschen und möchten ihre Angelegenheiten geregelt haben. Wenn man mit seinem Erben Gutes tun möchte, dann ist es tatsächlich wichtig, möglichst viel zu regeln, damit die Hinterbliebenen sich keinen Kopf machen müssen. Unser Erbrecht ist leider kompliziert, deshalb bieten wir als Hilfestellung z.B. Checklisten an.
Aber wenn es komplizierter wird, ermuntern wir dazu, zu einem Anwalt zu gehen.
Manchmal gibt es besondere Wünsche der Erblasser, dass sie z.B. nur ein ganz bestimmtes Projekt unterstützen wollen und auch dann ist es gut, wenn sie das direkte Gespräch mit der Organisation suchen, um auszuloten, ob das auch realisierbar ist.
Die Initiative ist also wie ein Türöffner, ein Guide durch die Fragen, die sich in diesem Prozess stellen.
Wir dürfen und wollen keine Rechtsberatung machen. Entweder vermitteln wir eine Erstberatung bei einem Erbrechtsanwalt oder weiter zu einer Organisation. Das ist unsere Aufgabe – neben dem Auftrag, das Thema in die Öffentlichkeit zu bringen – bei den Menschen ein Bewusstsein für das gemeinnützige Vererben zu schaffen.
Stichwort Öffentlichkeit: Seit 2014 tourt die Ausstellung „Was bleibt?“ durch Deutschland. Wie ist die Resonanz?
Sehr gut, die Besucher sind begeistert. Wir haben ganz unterschiedliche Persönlichkeiten wie Günter Grass oder Anne Sophie Mutter zu dem Thema „Was bleibt, wenn ich nicht mehr bin?“ befragt. Die Fotografin Bettina Flitner hat wunderschöne Fotografien gemacht, die in der Ausstellung (https://www.mein-erbe-tut-gutes.de/die-ausstellung/) zu sehen sind. Man sieht den Leuten an, wenn sie vor den Fotos stehen, wie es bei ihnen im Kopf anfängt zu rattern und sie sich dieselben Fragen stellen. Aus den Gesprächen haben wir ein Buch gemacht und Filmclips, die man sich auf Youtube anschauen kann. All das regt dazu an, sich seine eigenen Gedanken zu machen. Viele kommen auch ein zweites Mal und bringen dann noch Freunde und Bekannte mit.
Und als neuestes Projekt haben Sie ein Online Magazin gestartet …
Wir haben gemerkt, dass sich um das Thema gemeinnützig Vererben ganz viele spannende Themen ranken und deshalb haben wir uns entschieden, ein Magazin herauszugeben. In unserer ersten Ausgabe drehte sich alles um GLÜCK, natürlich auch das Glück, etwas weiterzugeben. Die aktuelle Ausgabe beschäftigt sich mit dem Thema Familie, darunter zum Beispiel der spannende Artikel „Wie gut, dass es Opa und Oma gibt“! Alle Artikel kostenfrei unter www.das-prinzip-apfelbaum.de Wir merken schon jetzt an den Reaktionen, dass ein Bedarf groß ist, sich mit dem Thema auf eine sensible und qualitative Art und Weise auseinanderzusetzen.
Vielen Dank für das Gespräch!