Kein Zweifel, für Gitti Müller ist Backpacken das beste Anti-Aging-Programm. Am Telefon klingt die Stimme der 61-Jährigen jung und frisch. Sie redet schnell, mit rheinischem Akzent und viel Humor. Wir sprachen mit der Journalistin über das Reisen mit Rucksack und ihr Buch “Comeback mit Backpack“, ein Reisebuch durch Südamerika der besonderen Art.
Frau Müller, vor über 30 Jahren sind Sie schon mal mit dem Rucksack nach Südamerika gereist. Was war diesmal anders?
Es war auf allen Ebenen anders. Erstens bin ich anders als damals. Ich war Mitte 20 und fühlte mich unsterblich. Mit 59 habe ich mir mehr Gedanken über mögliche Gefahren gemacht. Dann haben sich die Länder entwickelt und allgemein hat sich die Art des Reisens total geändert.
Was hat sich beim Reisen verändert?
Durch die digitalen Möglichkeiten ist es insgesamt viel einfacher geworden. In Südamerika waren die Straßen damals nicht asphaltiert, es gab keine Infrastruktur vor Ort, die politischen Verhältnisse waren schwierig, es gab Militärdiktaturen. Heute ist es im Vergleich easy. Es gibt feste Straßen, ausgebaute Busnetze mit WLAN in allen Busbahnhöfen. Man kann von unterwegs online das nächste Hostel oder die Fahrkarten buchen. Das ging früher nicht, da hat man drei Tage gebraucht, um herauszufinden, wie man von A nach B kommt.
Neues wagen, auch im Alter: Für wen ist Backpacken geeignet?
Grundsätzlich kann das jeder machen. Davon bin ich zutiefst überzeugt. Natürlich ist es nicht jedermanns Sache, sich kopfüber ins Abenteuer zu stürzen. Man kann seine Ziele anpassen. Es muss ja nicht gleich das wilde Mexiko sein. Man kann ja auch mit dem Rucksack in Deutschland unterwegs sein, ohne alles vorher genau zu planen und die Dinge mal auf sich zukommen lassen.
Die Angst, krank zu werden oder nicht klarzukommen unterwegs hält viele davon ab. Wie gehen Sie mit Ihren Bedenken um?
Am Anfang einer Reise habe ich auch immer ein bisschen Bauchgrummeln, weil man in eine ungewisse Zukunft aufbricht. Man weiß nicht, was einen erwartet und man hat Sorge krank zu werden. Bei mir kommen diese Gedanken auf den Prüfstand und dann stelle ich schnell fest, die Wahrscheinlichkeit ist nicht größer als hier. Und wenn ich krank werde, habe ich eine Auslandsversicherung und kann mich ärztlich versorgen lassen. Es kostet Überwindung, aber es lohnt sich. Je öfter man es macht, desto zuversichtlicher bist du und bekommst mehr Selbstvertrauen und die Gewissheit, wenn eine schwierige Situation auftaucht, finde ich schon eine Lösung.
In ihrem Buch erzählen Sie von Ihren Reisen mit Rucksack in den 80ern und vergleichen sie mit Ihren aktuellen Reiseerlebnissen. Wie ist denn die Resonanz auf Ihr Buch?
Die ist wirklich toll und am direktesten während der Lesungen. Witzigerweise kommen auch viele junge Leute zu meinen Lesungen und die finden vor allem die 80er Jahre Geschichten spannend: Briefe schreiben und sich postlagernd die Post schicken lassen, R-Gespräche führen. So etwas finden die klasse. Viele sagen auch: „Das Buch schenke ich meiner Mutter, die wollte das immer schon mal machen“. Bei den älteren Zuhörern gab es auch ganz rührende Reaktionen. Eine Frau hat bei der Lesung geweint, kam anschließend zu mir und meinte, sie hätte jetzt erst gemerkt, dass das ihre eigenen vergrabenen Träume sind und dass sie das jetzt unbedingt machen will. Oder es sind Leute da, die damals in der Jugend mit dem Rucksack unterwegs waren und meinen, das ist auch eine Idee, warum sollen wir das nicht einfach noch mal machen.
Sie sprechen sechs Sprachen. Reichen Englischkenntnisse in Südamerika aus?
Sprachen helfen enorm. Englisch sollte man schon können. Es muss ja kein perfektes sein. Ich habe mal einen Bayer um die 70 in einem Hostel in Uruguay getroffen, der seit Monaten mit dem Rucksack unterwegs war. Er hatte sich unterwegs selbst Englisch beigebracht. Da er breites Bayerisch sprach, war es eine Mischung aus Bayerisch und Englisch, aber er kam damit durch. Und in den Hostels bekommt man ja ganz schnell Kontakt zu Leuten, vor allem zu jungen Leuten, die sehr offen sind.
Wohin geht’s das nächste Mal?
Dieses Jahr werde ich mal nach Indien reisen, um etwas Neues auszuprobieren. Von Indien habe ich viel Schreckliches und viel Schönes gehört und jetzt will ich es mir mit eigenen Augen anschauen.
Wird es darüber auch ein Buch geben?
Nein, aber ich habe ein anderes Buch in Planung mit dem Arbeitstitel „Schöner alt werden“. Das ist ein Titel mit Augenzwinkern, weil es natürlich nicht um Falten geht, sondern um eine positivere Lebenseinstellung im Alter. Das Alter hat nicht nur negative Seiten, sondern auch schöne. Im Buch wird es um unterschiedliche Länder und Kulturen gehen, wie sie mit dem Alter umgehen und was der Prozess des Älterwerdens gesellschaftlich bedeutet. Und ich stelle mir die Frage, wie es wäre, dort alt zu werden.
Was finden Sie schön am Älterwerden?
Ich finde schön, dass man gelassener wird, weil man so viel Lebenserfahrung hat. Man kennt sich und seine Bedürfnisse und hat nicht mehr das Gefühl, etwas zu verpassen. Ich glaube, man kann im Alter viel besser für sich selbst sorgen, weil man die Zeit und Muße hat, sich um sich selbst zu kümmern. Ich versuche mir mein Leben so einzurichten, dass ich Spaß dabei habe und nicht nur Stress. Das Älterwerden wird ja nicht lustiger und umso wichtiger ist es, sich den Humor und die Lebensfreude zu erhalten.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Buch „Comeback mit Backpack“ von Gitti Müller kostet 16,99 Euro und kann versandkostenfrei direkt online bei Hansen & Kröger bestellt werden.
Neugierig geworden? Wir stellen das Buch in unserer Rubrik Buchtalk vor.