Jetzt ist nicht Herbst. Die Birnen, die reif im Laden liegen, stammen vielleicht aus Südafrika. Die Reise nach Ribbeck im Havelland lohnt sich dennoch. 2019 lohnt die Reise ins deutsche Birnen-Dorf sogar besonders.
Die Ballade über den „Herrn von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland“! Wer hat sie nicht lesen oder gar auswendig lernen müssen. Deutsch-Stunde für Fortgeschrittene. Ribbeck-Dichter Theodor Fontane kam 1819 zur Welt, aber nicht im späteren Birnendorf im Havelland sondern 40 km nördlich in Neuruppin. 59plus-Autor Martin Beier hat beide Orte (und mehr) gerade bereist.
Herr von Ribbeck: Wo einst ein Birnbaum stand
Der berühmteste Birnbaum der Literatur ist schon mehr als 100 Jahre Geschichte. Die Tafel auf dem Stumpf des Nachfolgebaums erzählt von einem Sturm, der dem weisen Entschluss des alten Herrn von Ribbeck 1911 ein Ende setzte. Der Alte hatte – wie erinnerlich – vorsorglich eine Birne mit ins Grab genommen, so dichtete Fontane 1889 nach einer seiner „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“. Vom Nachfolgebaum steht auch nur noch der Stumpf. Neben der Kirche steht Nach-Nachfolgebirnbaum; Ausdruck aller Vergänglichkeit.
An der Stelle des keineswegs frei erfundenen Ribbeck’schen Hauses ragt heute das gerade fein restaurierte Schloss Ribbeck aus dem gleichnamigen Ortsteil heraus, der zur nahen Stadt Nauen gehört; je nach Verkehrslage eine knappe oder eine reichliche Autostunde westlich von Berlin. Die heutige Familie von Ribbeck lebt im stattlichen Neubau hinter dem Schloss. Die Schule, aus der einst die Kinder kamen, die der Alte von Ribbeck in der „goldenen Herbsteszeit“ mit Birnen beglückte; das Café und der gesamte Ribbeck’sche Dorfkern atmen irgendwie noch den Charme, den man vergangenen Zeiten zuschreibt. Möglicherweise hat Fontane bei seiner Wanderung erfahren, dass das Landhaus und der kultige Birnbaum des Alten von Ribbeck dem späteren Bau des Schlosses durch den neuen von Ribbeck weichen sollten.
Der Dichter Theodor Fontane
Im Buchladen in Neuruppin haben sie fast das gesamte Werk des anfänglichen Journalisten Fontane aufgebaut. Der Standort des Ladens ist perfekt; direkt neben der Löwen-Apotheke im Herzen der Hauptstadt des Landkreises Ostprignitz-Ruppin. Apotheker Louis Fontane hatte offenbar jedoch nicht genug mit der pharmazeutischen „Giftmischerei“: Im Spiel verlor er das Haus, in dem Henri Theodor Fontane am 30. Dezember 1819 den ersten Laut von sich gegeben hatte. Die Nachtglocke an der heutigen Karl-Marx-Straße stammt wahrscheinlich noch aus jener Zeit. Für die Familie begann eine unfreiwillige Wanderung zu immer neuen Apotheken-Orten im Großraum Berlin.
Von Neuruppin, dem Zentrum des aktuellen Fontane-Jahres, sind es nur 30 km durch die tiefen Wälder der „Ruppiner Schweiz“ bis Rheinsberg. Im Sommer fährt sogar die Bahn in die gemütliche Kreisstadt. Schon Fontanes Berufsnachfolger Kurt Tucholsky nutze diese Bahn, um Rheinsberg dann 1912 mit dem „Bilderbuch für Verliebte“ zu verewigen. Quasi auf den Spuren des „Alten Fritz“. Der junge und verliebte Kronprinz Friedrich hinterließ das malerische Rokoko-Schloss am Rheinsberger Grienicksee, als familiäre Pflichten den Königssohn nach Potsdam riefen. Er wurde Soldatenkönig und „Friedrich der Große“. Das war freilich erst 80 Jahre nachdem Fontane begonnen hatte, sein Leben als „Tintensklave“ mit den „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ fortzusetzen. Begonnen hat er mit „Die Grafschaft Ruppin“.
Reiseziel: Neuruppin
Wie man von Ribbeck ins heutige Neuruppin kommt, das schreibt Fontane in „Schach von Wuthenow“: „Überall wohin du kommst, wirst du … eintreten wie in jungfräuliches Land“. Im damaligen jungfräulichen „Linumer Luch“ steht heute die Autobahnraststätte „Linumer Bruch“ an A24. Mc Donalds inklusive. Auf dem „Schlachtfeld vom (nahen) Fehrbellin“ landen Kleinflugzeuge. Nördlich ist es ein Fontane’scher Tagesmarsch bis Neuruppin. Die dortige (Berliner) Raiffeisen-Volksbank bleibt der Tradition verbunden: Sie steht an der Karl-Marx-Straße. In der Siechengasse stimmen Anspruch und Wirklichkeit überein: Der Gast betritt das „Up Hus Idyll“ durch die historische Siechenhauskapelle. Die Rezeption betreibt die Chefin neben dem Beichtstuhl. Es gibt weitere Hotels in der beliebten Reiseregion: neuruppin.de, rheinsberg.de.