Violinistin Arabella Steinbacher spielt am 13. September ein Benefizkonzert für Flüchtlinge in der St. Michael-Kirche in München. Auf 59plus spricht sie über ihr soziales Engagement und die heilende Kraft der Musik.
Die Musikerin gehört zu den führenden Violinisten und begeistert in Konzerthallen weltweit. Dabei schreibt sie soziales Engagement groß. Im 59plus-Interview verrät sie, warum sie die Musik einsetzt, um Menschen Freude, Mut und Hoffnung zu geben.
Frau Steinbacher, sie spielten 2011 in Japan bereits ehrenamtlich für Tsunami Opfer. Kürzlich gaben Sie ein Konzert für junge Flüchtlinge in einer Münchner Kaserne. Wie kam es, dass Sie sich als vielbeschäftigte Musikerin für Menschen in Notlagen engagieren?
Der entscheidende Impuls für mein soziales Engagement war sicherlich mein damaliger Japan-Aufenthalt. Damals spielte ich dort einige Konzerte – kurz nachdem die Katastrophe passiert war. Ich sah das Leid, das der Tsunami über die Bevölkerung gebracht hatte, und wollte etwas tun. Deshalb entschloss ich mich, ehrenamtlich für die Opfer zu spielen.
In Kooperation mit CARE Japan und mit der Unterstützung des Münchner Filmteams Nightfrog gab ich daraufhin Konzerte in Aufnahmelagern für Opfer der Tsunami-Katastrophe. Ich merkte, wie dankbar die Menschen waren und wie sie trotz der schwierigen Lage, in der sie sich befanden, Freude aus meiner Musik ziehen konnten. Ich wurde mir bewusst, wie stark das Potential der Musik ist. Sie gibt Kraft und neue Energie und kann sogar traumatisierte Menschen emotional aufbauen.
Und aufgrund dieser Erfahrung setzen Sie sich jetzt für Flüchtlinge in Deutschland ein?
Genau. Wenn ich mir die Lage in München betrachte, sehe ich viele engagierte Menschen, die den Flüchtlingen helfen. Die Menschen erhalten in der Regel ausreichend materielle Unterstützung. Das freut mich zu sehen. Dennoch denke ich, dass es vor allem den Kindern an etwas entscheidendem mangelt: an Zuwendung und Wärme. Und genau das möchte ich ihnen mit meiner Musik geben. Jeder Mensch hat ein Talent, eine Gabe, die er sich im sozialen Bereich zunutze machen kann. Das möchte ich tun und möchte auch andere Menschen motivieren, ihre Talente einzusetzen, um anderen zu helfen.
Wie realisieren Sie die Idee der ehrenamtlichen Konzerte in München?
Im Wesentlichen durch die Hilfe von Beatrix Jakubicka, Ärztin und Gründerin der Friedenskette München. Sie ist mit der Flüchtlingsthematik vertraut und engagiert sich regelmäßig in den verschiedenen Flüchtlingslagern im Münchner Raum. Sie stellte den Kontakt zu der Kirche St. Michael her und bereitete zuvor bereits meinen Besuch in der Kaserne vor. Sie war auch mit mir vor Ort.
Die Entscheidung, ein weiteres Konzert -diesmal zum Spendensammeln- auszurichten, fiel dann ganz spontan vor einigen Tagen. Ich hatte ja damals mein Benefizkonzert in Japan gemeinsam mit der Flötistin und Journalistin Dorothee Binding entwickelt, und auf dieses Konzept greifen wir jetzt zurück. Der Veranstalter war schnell gefunden: Ein guter Freund von mir arbeitet beim Lions Club Cuvilliés in München und erklärte sich sofort bereit, die Aktion durchzuführen. Wir haben in Windeseile alles organisiert und hoffen, dass wir viele Spenden sammeln können.
Welche Eindrücke haben Sie von Ihrem Konzert bei den Flüchtlingskindern vor einigen Tagen mitgenommen?
Es war sehr bewegend. Die Kinder waren sehr aufmerksam bei der Sache. Ich hatte das Gefühl, dass sie meine Musik richtig berührt. In ihren Gesichtern steht geschrieben, was sie bisher erleben mussten und ich spürte, dass vor allem die Kinder Zuwendung benötigen. Nachdem ich für sie gespielt hatte, fragte ich, ob jemand etwas singen möchte. Daraufhin stand ein kleiner, syrischer Junge auf und sang ein Lied aus seiner Heimat so voller Leidenschaft, dass sich seine Augen mit Tränen füllten. Wir können nur erahnen, was diese Menschen erlebt haben und wie sehr sie ihre Heimat vermissen. Dies machte mir wieder bewusst, dass wir alle zusammenhalten und helfen müssen.
Besonders nachdenklich hat mich auch gestimmt, dass die Kinder von dem Mozart-Stück, das ich spielte ergriffen waren. Es ist ein inniges, langsames Stück, was die deutschen Kinder hierzulande wohl kaum ansprechen würde. Aber diese Kinder haben wohl solch schlimme Erfahrungen gemacht, dass sie sich nach der Ruhe sehnen, die dieses Stück vermittelt.
Nach allem, was Sie sagen, hört sich das so an, als dürften wir uns auf weitere Benefizkonzerte und soziale Aktionen von Ihnen freuen?
Ja, ich denke schon! So schön es auch ist, auf den internationalen Bühnen vor großem Publikum zu spielen – es ist eine sehr offizielle Angelegenheit. Und Auftritte im kleineren Rahmen und für einen guten Zweck bedeuten mir sehr viel. Es ist ja nicht nur so, dass man gibt -man bekommt auch etwas zurück. Man sieht die Freude in den Augen der Menschen und hat das Gefühl, dass man etwas sehr sinnvolles tut. Und wenn mein Auftritt Spenden generiert, die Menschen zu Gute kommen, die nicht so viel Glück im Leben hatten, dann ist das ein sehr schönes Gefühl!
Was werden Sie beim Benefizkonzert zum Besten geben?
Es wird eine Mischung an Stücken von Johann Sebastian Bach und Eugene Ysaye sein. Außerdem wird Organist Harald Feller Stücke ebenfalls Stücke von Bach und Franz Liszt vortragen. Mit ihm werde ich auch ein Duo spielen – ich verrate aber noch nicht, was es sein wird!
Wie werden die Spenden verteilt und was wird mit ihnen gemacht?
Geplant ist, das Geld vor allem in die Bildung der Flüchtlingskinder zu investieren. Denn mit einer guten Bildung wachsen die Chancen auf gelungene Integration. Der Lions Club Cuvilliés als Veranstalter wird das Spendensammeln übernehmen und die Gelder an Frau Jakubicka weitergeben. Wie die Spenden im Detail verwendet werden, ist im Wesentlichen ihre Entscheidung. Eine unter vielen Ideen ist, einen Schulbus für die Kinder zu organisieren, sodass das Fahrtgeld nicht von ihren Familien, die ohnehin meist in schlechten ökonomischen Verhältnissen leben, aufgebracht werden muss.
Spenden Sie selbst für die Flüchtlinge?
Zunächst spiele ich natürlich ehrenamtlich und verlange kein Honorar für den Auftritt. Des Weiteren werde ich natürlich auch zur Füllung der Spendenkasse beitragen!
Wir wünschen Frau Steinbacher und dem ganzen Team viel Erfolg und freuen uns ganz besonders hier auf 59plus ein solches Projekt zu unterstützen!
Zur Person:
Arabella Steinbacher wurde 1981 in München geboren. Bereits mit drei Jahren bekam sie ersten Geigenunterricht und ging mit neun Jahren als jüngste Studentin zu Ana Chumachenko an die Münchner Musikhochschule. Arabella Steinbacher gehört heute zu den führenden Violinisten auf den großen Konzertbühnen weltweit und spielt die „Booth“-Violine von Antonio Stradivari, Cremona 1716, eine Leihgabe der Nippon Music Foundation.
Foto: ©Peter Rigaud