Wie kann selbstbestimmtes Wohnen und eine gute Versorgung im Alter gelingen?
Wie wohnen die Deutschen im Alter
Befragt man die Deutschen nach ihren Wohnwünschen, zeigt sich, dass der überwiegende Teil der Menschen am liebsten im eigenen Zuhause alt werden möchte. Bei einer repräsentativen Umfrage des Apothekenmagazins „Senioren Ratgeber“ gaben 90,1 % der Befragten an, im Falle einer Pflegebedürftigkeit am liebsten in ihrem Zuhause bleiben zu wollen. Diese Zahl spiegelt die tatsächliche Situation in Deutschland gut wieder, denn 73 % der Pflegebedürftigen werden laut Zahlen des statistischen Bundesamtes zuhause versorgt. Nur 5 % der über 65-jährigen leben im Altersheim. Über 90 % dieser Altersgruppe wohnen in ganz normalen Wohnungen. Wohnen im Alter findet also überwiegend im Wohnungsbestand statt.
Wohnformen im Alter
Mal ganz davon abgesehen, dass die Meisten nicht ins Heim wollen, können so viele Heimplätze gar nicht gebaut werden. Und soviel Personal gar nicht eingestellt werden, wie die prognostizierten 3,4 Millionen Pflegebedürftige im Jahr 2030 es erforderlich machen würden. Auch die sogenannten Neuen Wohnformen mit Wohngruppenprojekten, Wohngemeinschaften oder betreutem Wohnen können den Bedarf nicht decken. Wenn auch solche Wohnprojekte deutschlandweit auf dem Vormarsch sind, darf man nicht vergessen, dass aktuell nur 3 % der Seniorenhaushalte auf diese Wohnform entfallen.
Diese Daten werden doppelt wichtig, wenn man den Zuwachs an Hochaltrigen in den nächsten Jahren sieht, gepaart mit der Tatsache, dass immer weniger Frauen auf Grund einer Berufstätigkeit eine Pflege in der Familie leisten können. So wird nachvollziehbar, warum die Politik die Maxime „ambulant vor stationär“ verfolgt. Es macht Sinn, den Wohnungsbestand baulich anzupassen und Projekte zu fördern, die einen möglichst langen Verbleib in der eigenen Häuslichkeit zum Ziel haben.
Besuchsdienst vom Postboten
Eine Idee, die die letzten Tage im Internet kursierte, hat mich dann doch auch nachdenklich gemacht. Die Deutsche Post prüft in Pilotprojekten, ob es Sinn machen würde, ihre Dienstleistung auszubauen und einen Besuchsdienst einzurichten. Der Postbote könnte ja, wenn er eh zum Briefkasten muss, mal eben an der Haustür klingeln und nach dem Rechten sehen. Wo ist nur unsere Mitmenschlichkeit und Hilfsbereitschaft geblieben? Wenn der Briefkasten der Nachbarn überquillt, der Rollladen unten bleibt, oder man schlicht lange nichts gehört hat, könnte doch jeder aufmerksam werden und seine Hilfe anbieten. Mal nachfragen, wenn man sowieso zum Einkaufen geht oder auch nur ein nettes Wort im Treppenhaus verlieren – Hilfe anzubieten könnte so einfach sein.
Schauen wir doch einmal zu unseren holländischen Nachbarn. Die sind gerade dabei die Pflegeheime abzuschaffen. Die Kommunen sind dort in der Pflicht, alte und bedürftige Menschen nicht nur zu beraten, sondern darüber hinaus auch Hilfsangebote zu organisieren. Dies gelingt mit Versorgungsstützpunkten in den Gemeinden und mit Hilfe der Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements. Hilfe zur Selbsthilfe – unter Anleitung der Kommune – mit dem Ziel, die Menschen möglichst lange im eigenen Zuhause versorgt zu wissen. Natürlich nicht ganz uneigennützig, denn so spart der Staat viel Geld. Auch bei uns gibt es immer mehr gute Ansätze in der Quartiersarbeit, mit Ehrenamtsprojekten und Beratungsangeboten. Wo es noch fehlt ist an direkten Ansprechpartnern und Schnittstellen aller Angebote vor Ort. Erste Pilotprojekte führen eine Gemeindeschwester wieder ein oder finanzieren einen sogenannten Kümmerer.
Zuhause ist es doch am schönsten.
Für mich kann nur eine menschenwürdige Versorgung im Alter geschaffen werden, wenn das Thema endlich ganz oben auf der Agenda der Politik ankommt und (noch) mehr Versorgungsstrukturen geschaffen werden. Ich glaube, nur wir alle zusammen als Gesellschaft können dieses Problem lösen. Allein der Ruf nach dem Sozialstaat kann es auch nicht sein. Anfangen muss jeder erst mal bei sich selbst. Jeder sollte sich die Frage stellen, wie möchte ich denn selbst alt werden, wie möchte ich dann versorgt sein?
Man kann nicht früh genug damit anfangen. Viele wissen ganz genau, was sie wollen oder auch nicht wollen, vergessen dabei allerdings, dass man zur Erfüllung dieses Wunsches auch aktiv etwas tun muss. Wer zuhause alt werden möchte, muss Vorsorge betreiben. Ich werbe dafür, das Thema nicht zu vertagen, sondern es mit dem Partner zu besprechen, in der Familie zu thematisieren oder im Freundeskreis zu überlegen, wie man sich gegenseitig unterstützen kann. Was wir brauchen sind Vorbilder, best practice Beispiele, wie gutes Altern gelingen kann. Lösungswege und verschiedene gangbare Optionen müssen aufgezeigt und Hilfsangebote müssen koordiniert werden. Der erste wichtige Schritt aber ist das Informieren, das Aufmerksam machen auf die Problemstellung. Das Thema ist noch lange nicht in den Köpfen der Menschen angekommen.
Aber nur dann kann die Aussage „Zuhause ist es doch am Schönsten“ auch lange Wirklichkeit werden.
Herzlichst
Ihre Sabine van Waasen