Die Farben des Herbstes genießen bei frühlingshaften Temperaturen, auf beliebten Wanderwegen nur wenige Menschen treffen und am Strand die erste Spur im Sand hinterlassen.
Das, was sich im korsischen Herbst bewahrheitete, kündigte sich bereits im Landeanflug auf die Insel an. Es ist Ende Oktober, im Westen Deutschlands Regen, im Norden Sturm. Im Flugzeug nach Bastia sitzen gerade einmal 20 Passagiere. Der Pilot wünscht allen, die bis dorthin fliegen, einen schönen Aufenthalt und den Anschlussreisenden, die ja in der Überzahl seien, einen guten Weiterflug nach Wien.
Willkommen auf Korsika! Willkommen in der Nebensaison! Diese wird sich noch von ihrer schönsten Seite zeigen.
Die Fahrt im Dunkeln vom nördlich gelegenen Bastia in die Umgebung von Ajaccio im Westen Korsikas führt zweieinhalb Stunden über kurvenreiche Straßen und über einen Pass. Dass Korsika das „Gebirge im Meer“ genannt wird, ist bereits jetzt spürbar. Wie vielfältig diese Berglandschaft allerdings ist, wird mir in den nächsten Tagen bewusst.
Der Duft der Macchia
Am besten lässt sich die Insel wandernd erkunden, was- je nach Wanderweg- mehr oder weniger anstrengend sein kann. Es muss nicht gleich der legendäre GR20 sein. Fürs erste reichen auch Wanderungen über schmale Wege durch die Macchia, dem für die Insel typischen Gewächs aus Zistrose, Erdbeerbäumen, Lavendel, Baumheide und Myrte, zum Beispiel zum Monte Gozzi.
Einer der Wege führt über ein Plateau hinauf auf den schroffen Felsen. Will man nicht ganz hoch, so kann man auch hier bereits den Blick schweifen lassen. Die Farben blau-grau, ocker, hellbraun und grün dominieren. Bei leicht diesigem Himmel wirkt die Szene fast ein wenig surreal. Von hier aus kann man ein paar auf Felsenvorsprüngen balancierende Silhouetten sehen. Ganz nah am Abgrund, wie ich später feststelle, jedoch mit spektakulärer Aussicht ins Tal.
Savoir Vivre am Capo Rosso
Das strahlende Blau des Meeres zeigt sich am nächsten Tag bei einer Wanderung zum Capo Rosso, einer Halbinsel mit einer Erhebung von über 300 Metern. Hierauf thront einer der unzähligen Genuesertürme, aus denen sich die Genueser einst gegen Piraten verteidigt und sich von Turm zu Turm Signale geschickt haben.
Der Weg nach oben führt erst einmal bergab und der Blick von dort hoch zum Turm lässt vermuten, dass die im Wanderführer angegebene Zeit für Genusswanderer vielleicht doch etwas zu ambitioniert und der Begriff „leichte Kletterei“ etwas untertrieben ist.
Die Schönheit entlang des Weges und der Blick auf die Bergketten und das Meer entschädigen jedoch für jegliche Anstrengung. Ein Einheimischer kommt mir von oben entgegen und erzählt in einer Mischung aus Begeisterung und Stolz, dass er seit acht Jahren jeden Tag hoch zum Turm und zurück laufe. Er sei 70 Jahre und seine Frau noch fitter als er. Diese Begegnung, vor allem seine Energie und Lebendigkeit, bleiben mir nachhaltig in Erinnerung.
Motiviert klettere ich weiter über rosafarbene Felsen und komme schließlich oben an. Auf der „Dachterrasse“ des Turmes erwartet mich ein atemberaubendes Panorama und ein in der Sonne glitzerndes Meer. Dass Savoir Vivre auch nach solcher Anstrengung kein Problem ist, beweisen die Wanderer, die direkt neben mir Baguette, Pastete und Rotwein auspacken. Die Stimmung hier oben: glücklich-erschöpft.
Les Calanches und die Spelunca-Schlucht- zwei Highlights im Westen
Einer der schönsten Orte, die ich auf meiner Reise gesehen habe, sind die „Calanches von Piana“. Diese bizarren, roten Felsen scheinen einem Fantasy-Roman entsprungen zu sein. Fährt man auf der schmalen Küstenstraße von Piana nach Porto, kann man kilometerlang diese schroffen und fantastischen Formationen bewundern; und das am besten auch nicht nur aus einer der kleinen Parkbuchten. Auch hier gibt es viele Wandermöglichkeiten.
Ein weiteres Highlight liegt gleich in der Nähe: die Spelunca Schlucht. Ich wähle den bequemen Einstieg ab Ota und wandere durch die Schlucht bis zu einer verwunschenen Genueserbrücke: die Porto Vecchiu. Zeit fürs Picknick. Hier ist es nicht die duftende Macchia, sondern die frische Luft und die Kühle der Berge und des Waldes, die man wahrnimmt. Erholung pur!
Am Ende dieser Reise bleibt für mich die Frage offen, warum nicht mehr Menschen die Insel um diese Jahreszeit erkunden. Aber vielleicht macht genau das ihren Charme aus.
Herbstschönheit Korsika.