Rostig, alt und verlassen erhebt sich ein Stück britische Militärgeschichte über die grau-braunen Wellenkämme der Nordsee: Die Maunsell Forts. Auf 51°53″40′ Nord und 1°28″057′ Ost erzählt die ehemalige britische Seefestung eine Geschichte von Militär, Anarchie und Staatssouveränität. Kaum jemand kennt sie.
Operation Red Sand
Ein Tourismus-Anbieter hat sich zur Aufgabe gemacht, das zu ändern. Das Projekt Operation Red Sand transportiert regelmäßig Touristen und Ausflügler zu den stählernen Kriegskolossen. Die erinnern wegen ihres Rostbefalls schon fast an Baumhäuser, die sich hier verzweifelt am Meeresboden festkrallen.
Als Besucher mag man meinen, man befände sich am Filmset eines veralteten Science-Fiction-Streifens. Der Regisseur, der das Boot steuert, zeigt den Fans die Kulisse, wo sich im fiktiven Film außerirdische Zivilisationen auf einem Planeten ohne Festland wohnlich eingerichtet haben.
Gebaut wurden die stählernen Kolosse jedoch nicht, um Zuschauerfantasien zu beleben, sondern, ganz militärisch-pragmatisch, zur Abwehr der Deutschen im Zweiten Weltkrieg. Bereits in den ersten Kriegsmonaten versenkte das Nazi-Regime über 200 Schiffe hier an der Mündung, dem Hauptzugang zum Londoner Hafen. Die britische Navy sah sich gezwungen, zu reagieren.
Die Verteidigungsanlage Maunsell Forts
Nach langem Zweifeln, was am besten zu tun war, setzte sich die Idee des Ingenieurs Guy Maunsell durch: Die Errichtung einer Offshore- Verteidigungsanlage. Jedes Fort der Anlage wurde daraufhin mit bis zu 250 Männern besetzt, die unter den härtesten Bedingungen hier ihren Dienst zur Verteidigung des Vaterlandes ableisteten. Die psychologische Behandlung, die die meisten von ihnen während ihrer dienstfreien Zeit aufsuchten, brachte der Seefestung den Beinamen „Fort Madness“ (zu Deutsch: Festung des Wahnsinns) ein.
Nachdem der Kriegswahnsinn zu Ende war, passierte hier weiterhin Verrücktes: Eine Anarchisten-Gruppe um den Piratensender-Betreiber Paddy Boy Bates hatte den Rost-Koloss 1967 besetzt und ihn zu einem souveränen Staat erklärt: Dem Fürstentum Sealand.
Die verlassenen Festungen waren der ideale Standort, um das staatliche Rundfunkmonopol der BBC zu umgehen und so fernab der Strafverfolgungsbehörden ihre illegalen Rundfunksender zu betreiben. Die Rundfunk-Piraten um Bates, seine Familie und einige andere „Staatsbürger“ der sealändischen Mikronation lebten teilweise dauerhaft auf der 550 Quadratmeter-Plattform. Einige von ihnen harrten dort Jahrzehnte lang aus. Heute hält nur noch ein Wachmann dauerhaft die Stellung und schützt die Staatsgrenzen der rotbraunen Stahlinsel.
Wenn Sie ihm einmal zuwinken möchten, schließen Sie sich einfach einer der Ausflugsgruppen an, die die Stahlattraktion in der Nordsee besichtigen. Die Trips, die Operation Redsand Forts anbietet dauern zirka vier Stunden und starten jeden Samstag und Sonntag um 10.30 Uhr. Start- und Landepunkt ist Queenborough, Isle of Sheppey der ostenglischen Grafschaft Kent.
Kontakt:
Operation Redsand Forts | E-Mail: david@operationredsandforts.com | Tel.: +44 (0)7872 900149