Die Liste der Künstler, die der Pianist und Produzent Dieter Falk musikalisch begleitet hat, liest sich wie das Who is Who der deutschen Musikgeschichte. Jetzt ist seine Autobiografie erschienen “Backstage – Von Pur, Popstars und den Zehn Geboten”. Eine humorvoll aufgeschriebene Reise durch ein bewegtes Musikerleben. Wir haben uns mit Dieter Falk über Comebacks, goldene Zeiten und Musik als Jungbrunnen unterhalten.
Herr Falk, Sie sind Musiker. Warum haben Sie dann ein Buch geschrieben?
Gute Frage. Erst einmal bin ich eine Leseratte. Ich lese unglaublich viel. Das einzige, wobei ich richtig entspannen kann, ist ein Buch zu lesen. Die Idee, ein Buch über mein Leben zu schreiben kam nicht von mir selbst, sondern von verschiedenen Verlagen gleichzeitig, die herausgefunden haben, dass ich dieses Jahres einen runden Geburtstag habe. Dann habe ich darüber mal ernsthaft nachgedacht und fand die Idee gut, schließlich ist ja genug passiert. Also habe ich angefangen selbst zu schreiben und das Buch mithilfe eines Lektors zu Ende gebracht.
Und wie lange haben Sie daran gesessen?
Gar nicht lange, das ging total flott. Wenn ich mal alle Tage zusammenzähle, in drei bis vier Wochen.
Das ist ja unfassbar schnell.
Ich kann ja eigentlich recht flott schreiben, weil ich früher mein Studium mit Artikeln in diversen Musikmagazinen finanziert habe. Ich habe einfach die von mir produzierten CDs und alle meine Terminkalender der letzten dreißig Jahre genommen, wo drinsteht, wen ich wie wann getroffen habe und wann ich welche Platte gemacht habe. Und da ist mir klar geworden, was alles in den letzten 40 Jahren passiert ist und mir fiel alles wieder ein.
Ihr Buch startet mit dem Jahr 1985, als Ihre erste Soloplatte erschienen ist.
Da war ich 25. Schon vorher habe ich andere Leute arrangiert und produziert, deshalb kann man sagen, dass ich seit vierzig Jahren als Plattenproduzent arbeite. Erst einmal lasse ich die Künstler ein wenig Revue passieren, mit denen ich groß geworden bin und die mich beeinflusst und geprägt haben. Wenn ich das mit heute vergleiche, dann denke ich “Meine Güte, was haben die damals Tolles aufgeschrieben”. Es war einfach, aber es hatte trotzdem Niveau. Das fehlt mir manchmal heute.
Sängerinnen wie Gitte Haenning oder Katja Ebstein gibt’s ja immer noch.
Ja, genau, mit Katja habe ich gerade vor zwei oder drei Tagen telefoniert. Musik ist ja auch so etwas wie eine positive Droge. Man kann sie nicht loslassen. Über viele Leute, die noch älter sind als ich und mit 70 noch auf Bühnen stehen, wird oft gemunkelt, sie müssten das aus finanziellen Gründen. Das ist vorschnell gesagt, denn auf der Bühne zu stehen und Musik zu machen ist einfach etwas unfassbar Tolles. Und das will man natürlich so lange machen wie es irgendwie geht.
Wie Howard Carpendale, der sich schon längst verabschiedet hatte und dann wieder zurückgekommen ist, weil er ohne die Bühne und seine Fans nicht konnte.
Howard Carpendale ist vielleicht der Einzige, der nicht ganz so gut wegkommt in meinem Buch. Zu dem Thema kann ich nur sagen: Er macht mir zu viele Comebacks.
Um das Thema Musikbusiness und Alter aufzugreifen: Ja, es gibt die Künstler und Künstlerinnen, die durchhalten und immer noch erfolgreich sind. Ist es nicht trotz allem eine Herausforderung in der Musikbranche älter zu werden?
Ach wissen Sie, ich arbeite viel mit Michael Kunze zusammen, der schon Mitte 70 ist und mit dem ich Musicals zusammen schreibe. Und wenn wir uns treffen, dann ist das wie ein Jungbrunnen. Dann erzählen wir uns erst mal, was passiert ist und was dieser und jener macht. Und es ist einfach so, Musik hält jung. Das ist eine Binsenweisheit, die wirklich wahr ist. Die Beschäftigung mit Musik, der Rhythmus, der ins Blut geht und man altersunabhängig anfängt zu tanzen. Natürlich verbindet man mit Musik auch ganz viel Emotion. Ich kann mich jetzt noch an den Song erinnern, als ich das erste Mal verliebt war.
Welcher Song war das?
The Carpenters “I am on top of the world” (fängt an zu singen). Allein die Erinnerung daran hält schon jung. Mit Musik sind ganz viele besondere Momente im Leben verbunden, schöne wie traurige. Die Musiker, die Idole für einen waren, haben einen auch über lange Zeit begleitet. Deswegen ist Musik immer etwas Persönliches. Im aktuellen Musikbusiness ist es leider so, dass die Mechanismen der Industrie Simplizität und Repetition und eine Verknappung von Ideen verlangen. Die Industrie will einfache Sachen, die nicht anecken und das ist ein bisschen Kritik vor allem an der Radio Landschaft und zeugt von einer sehr großen Mutlosigkeit der Macher.
Sie haben sich aus dem aktiven Musikbusiness zurückgezogen. Ist das eine Reaktion auf die Veränderung in der Branche?
Vor zehn Jahren habe ich gesagt, dass ich auf die reine Musikproduktion keine Lust mehr habe. Ich produziere nur noch die Sachen, die ich selbst schreibe und das sind zusammen mit Michael Kunze Musicals. Die goldenen Zeiten der Musikbranche sind vorbei. Ich sage auch ganz selbstkritisch, dass wir alle vor 20 Jahren verpennt haben, die Veränderungen auf dem Musikmarkt richtig einzuschätzen und gegenzusteuern. Heute ist es Gott sei Dank wieder wichtiger geworden, live auf der Bühne zu stehen, was schön und richtig ist.
Die Live Auftritte sind ja gerade für die älteren Musiker eine tolle Chance im Business zu bleiben.
Roger Chapman zum Beispiel habe ich auch produziert, der ewig jung bleibt, solange er auf der Bühne steht. Das ist bei allen so, die ich getroffen habe, ob nun Daliah Lavi oder Gitte Haenning. Für die jungen Kollegen ist die Entwertung von Musik durch die Streamingportale ein Riesenproblem, wenn man pro Spotify pro Download 0,003 Cent bekommt.
Sie haben den Chor 60 plus gegründet. Wie kam es dazu?
Erst einmal ist das Thema Singen für mich eines der wichtigsten überhaupt. Als ich angefangen habe mit Michael Kunze die großen Chöre für Musicals zu schreiben, bei denen über 50000 Sänger und Sängerinnen unterschiedlicher Altersgruppen mitgemacht haben, habe ich gesehen, was Singen aus den Leuten macht. Das wusste ich eigentlich, weil ich selbst im Chor gesungen habe und meine Mutter Chorleiterin war. Aber ich habe das viele Jahre lang einfach vergessen und nicht gepflegt. Als die Chorprojekte vor zehn Jahren mit den “Zehn Geboten” anfingen, kam ich wieder auf den Trichter. Mit gemeinsamem Singen kann man so viel erreichen und man kann die Leute echt glücklich machen.
Bei Ihren Musicals singen Jung und Alt zusammen?
Wir hatten ganz viele Großeltern, die mit Kindern und Enkelkindern gesungen und das familienintern am Klavier geprobt haben. Großartig! Früher wurde das Hausmusik genannt, was aus dem Sprachgebrauch verschwunden ist. Und da kam ich auf die Idee, mit einem Chor Songs zu singen, mit denen ich groß geworden bin. Zusammen mit der Music Akademie Köln und einer Kollegin habe ich das umgesetzt. Und es funktioniert gut, wir geben richtig große Konzerte. Singen ist in Deutschland total im Kommen, wir haben einen Chor-Boom und der ist generationenübergreifend. Derzeit schreibe ich ein neues Weihnachts-Musical „Bethlehem“ mit Michael Kunze, das im Dezember 2020 Premiere haben wird. Wieder mit einem Riesenchor in der Hauptrolle. Ich hoffe, das auch viele 59 plus-er Lust haben mitzusingen. Hiermit „herzliche Einladung“. Infos gibt’s ab Mai.
Apropos generationsübergreifend, Ihre Söhne sind auch musikalisch unterwegs.
Unsere Band Falk & Sons feiert jetzt ihr zehnjähriges Bestehen. Als wir anfingen, waren die beiden noch sehr klein, 12 und 14 Jahre. Da haben wir Johann Sebastian Bach verrockt so wie es Bands in den Siebzigern wie Ekseption schon mal gemacht haben. Wir haben über 250 Konzerten gegeben, auch eine CD ist entstanden und vor Kurzem hatten wir unser Abschiedskonzert, weil einer meiner Söhne sein eigenes Projekt vorantreiben will.
Und Sie machen natürlich weiter Musik. Auch, wenn Sie mit Ihrer Autobiografie auf Lesereise gehen?
Mit meinem Buch werde ich ab März eine Tour mit Konzertlesungen machen. Das wird so sein, dass ich Lieder der Künstler spiele, über die ich im Buch erzähle. Von Gitte spiele ich “I am a woman in love”. Zu jedem Konzert erzähle ich auch einige Anekdoten, die ganz witzig waren. Ich war zum Beispiel Chorsänger bei Gitte und durfte alles mitsingen, aber “Ich bin die Frau, die dich liebt” zu singen, ging mir dann doch nicht so leicht über die Lippen (lacht).
Vielen Dank für das Gespräch!
Wenn Sie Lust bekommen haben, Dieter Falk live zu erleben, hier sind die Termine seiner Konzertlesungen im März:
20.3. 19.30 : Düsseldorf, Freizeitstätte Garath
23.3. 19.30: Schw.Gmünd, Forum Schönblick (nur Konzert mit Trio)
25.3. 19.00: HH, Altonaer Museum
26.3. 19.00: Ratzeburg , Kreismuseum Herzogtum Lauenburg
27.3. 19.00: Goch, Rathaus –Foyer
1.4. 19.00: Schwerin