Ben liest „Ich bin dann mal weg“ von Hape Kerkeling. Ein Buch, das ein Thema behandelt, welches ihn nicht mehr los lässt. Pilgern. Spirituelles Wandern, zu sich kommen, an seine Grenzen gehen, bei sich sein – was auch immer es am Ende für ihn sein soll, Ben ist fest entschlossen, selber los zu ziehen. Er motiviert seinen Freund Johannes, ihn zu begleiten. Gemeinsam machen sie sich schließlich auf den Weg. Entstanden sind nicht nur viele Erinnerungen, sondern auch ein Buch. In „Es muss nicht immer Santiago sein. Pilgern auf dem Jakobsweg im Elsass“ erzählen die beiden von ihrer ersten Pilgerreise, warum man nicht durch Spanien wandern muss und was sie während ihrer Reise gelernt haben. Gespickt mit vielen nützlichen Tipps richtet sich das Buch an alle, die das Pilgern selber mal versuchen wollen.
Die Beschreibung Eures sechsten Pilgertages durch das Elsass betitelt ihr mit „Tourismus stört beim Pilgern“ – wie verändert sich die Wahrnehmung und das Erleben von Neuem als Pilger im Vergleich zum Touristen? Ab wann tritt diese Veränderung ein?
Unsere Idee war von Beginn an: „Wir sind aus spirituellen Gründen unterwegs“. Wer sich das erste Mal zu einer Pilgerreise entschließt, egal wie lang, erwartet direkt zu Anfang einen Aha-Moment, das etwas Außergewöhnliches, etwas Umwerfendes passiert. Aber im Regelfall passiert gar nichts, was zur Folge hat, dass man enttäuscht ist. Man glaubt, dass alle Geschichten, die andere Pilger erzählen, nur erfunden sind. Aber: Ein Kastanienbaum wird unmerklich größer. So ist es auch mit einer Pilgerreise. Mit dem ersten Schritt hat der Pilger den Samen für eine Entwicklung gelegt und dann heißt es, Geduld haben. Da wir mit den oben beschriebenen Erwartungen gestartet sind, aber nichts passierte, haben wir unmerklich unsere „Antennen“ ausgefahren. Der Mensch verändert schließlich seine Wahrnehmung.
Gegen Ende Eurer Reise durch das Elsass schreibt ihr „Uns fiel auf, dass wir bei all unseren Pausen ein Gefühl von einem In-sich-Ruhen erleben durften.“ Ist es das, was Pilgern bedeutet?
Pilgern bedeutet sicher viel und für jeden Menschen etwas anderes. Für uns war es ein positives Gefühl, eine Wahrnehmung, die sich zunächst in unsere Gedanken geschlichen und dann bemerkbar gemacht hat. Man nimmt anders wahr, weil man ja dieses besondere Pilger-Erlebnis haben will und am Ende ist es dann vielleicht doch „nur“ ein Gefühl, wenn auch ein besonders positives.
Viele leben heutzutage einen schnellen und hektischen Alltag. Zur Ruhe kommen fällt oft schwer, gerade wenn man nur ein paar Tage frei hat. Habt ihr auf Euren Pilgerreisen gelernt, gezielt zur Ruhe zu kommen und könnt unseren Lesern einen Tipp geben?
Wir sind jedes Jahr 14 Tage gelaufen. Von Mal zu Mal wurde es einfacher, den Alltag loszulassen. Wir haben das immer an den Themen unserer Gespräche in den ersten Stunden und Tagen gemerkt. Anfangs dreht sich vieles um unseren Alltag. Das wird dann von Tag zu Tag weniger, bis er gar nicht mehr besprochen wird. Diese Zeitspanne wird jedes Jahr kürzer.
Ein kleiner Tipp für den Anfang: Spirituellen Gedanken in den ersten Stunden und Tagen bewusst mehr Raum geben. Das kann durch bewusstes Schweigen geschehen, den Besuch von Kirchen und Kapellen oder das Beten und Ausruhen an Wegkreuzen. Auch das bewusst langsame Gehen kann ein Mittel sein.
Johannes, Ihr habt Eure erste Tour vorzeitig abbrechen müssen, da Du Dich am Fuß verletzt hast. Was würdest Du Pilger-Einsteigern raten, um Verletzungen vorzubeugen bzw. wie verhält man sich im Falle einer Verletzung richtig? Was würdest Du rückblickend anders machen?
Ganz wichtig ist das Investieren in die Ausrüstung. Gute Schuhe, ein guter Rucksack, gute
Funktionswäsche und ein guter Regenschutz sind essentiell. Aber bloß nicht zu viel mitnehmen. Wenn der Rucksack ohne Wasser und Nahrungsmittel mehr als 8 kg wiegt ist er definitiv zu schwer. Am Anfang ist es eine Herausforderung, auf das Wichtigste zu reduzieren, aber das sollte man wirklich tun.
Unwohlsein, egal welcher Art, auf keinen Fall ignorieren. Wir sind beide eher neurotisch und überlegen lieber einmal zu viel als zu wenig, wenn etwas nicht stimmt. Es hilft ja keinem weiter, wenn der Fuß wund ist oder der Muskel zwackt. Gute Blasenpflaster sind auf jeden Fall wichtig. Schmerzsalben sollten in der Ausrüstung auch nicht fehlen. Zur Vorbereitung kann man außerdem Pilgerforen nach Erfahrungen bei Verletzungen durchforsten. Es ist auch keine Zeitverschwendung, wenn man im Rahmen seiner Vorbereitungen den Erste-Hilfe-Kurs wiederholt. Es kann ja auch passieren, dass man anderen Menschen auf ihrem Weg helfen muss.
Zu Anfang habt ihr mir erzählt, dass man beim Pilgern die wundersamsten Dinge erlebt. Was ist Euch widerfahren?
Es sind die Menschen, denen man auf ungewöhnliche Art und Weise begegnet. So stehen wir dank des damaligen Pastors von Brumath bei Strassburg gemeinsam mit Präsident de Gaulle in einem goldenen Buch. Wir haben die Pilger Charles und Danielle kennengelernt, die uns durch die ersten Tage und Wochen unserer Pilgerreise begleitet und uns beherbergt haben, als keine Herberge in Sicht war. Wir haben erlebt, wie sich Menschen freuten, weil wir auf unserer Pilgerreise waren und uns mit Wasser oder anderen Lebensmitteln versorgten. Natürlich haben wir auch negative Erfahrungen gemacht. Zum Beispiel, dass man uns erst liebevoll Obdach geboten und im Nachhinein per E-Mail das Doppelte von uns verlangt hat. Das sind aber Gott sei Dank die Ausnahmen.
Die Bücher von Ben und Johannes sind unter dem Pseudonym Jean Benoit Pelerin erschienen.
Sie können das Buch hier bei Hansen & Kröger bestellen.