Wie eine kleine, friedliche Welt mutet die Insel Poel in der Wismarer Bucht an. Hier fahren die Fischer noch auf die Ostsee hinaus und verkaufen bei ihrer Rückkehr den Fang direkt vom Kutter. Tradition und Brauchtum spielen auf diesem Eiland eine wichtige Rolle. Von der langen Siedlungsgeschichte der Insel zeugen die mittelalterliche Inselkirche, eine Schlosswallanlage, alte Leuchttürme und schöne Alleen mit Kopfsteinpflaster.
Gleichzeitig ist Poel das ideale Ziel für Urlauber, die Natur, Ruhe und Abgeschiedenheit lieben. Wer einmal an Bord eines Fischerbootes aufs Meer hinaus fahren oder auf einem Pferd am Strand entlang reiten möchte, ist hier richtig. Und es gibt eine weitere Möglichkeit, die Insel zu entdecken: mit dem Fahrrad.
Der Tourismusverband Mecklenburg-Vorpommern hat mich zu einer Poel-Tour mit einem Liegedreirad eingeladen. Diese Räder sind eine bequeme Alternative für Menschen, die sich unsicher auf zwei Rädern fühlen, Schwierigkeiten mit dem Gleichgewichtssinn haben oder aus anderen Gründen mit einem herkömmlichen Fahrrad nicht zurechtkommen. Die Radtour über die Insel steht unter dem Motto: Urlaub für Alle.
Bequem: Inselerkundung per Liegedreirad
Am Parkplatz in Fährdorf, direkt hinter dem Damm, der Poel mit dem Festland verbindet, treffen wir Olaf Reinike. Er betreibt nahe der Insel Poel einen Fahrradverleih. Seine Spezialität sind Liegedreiräder und Sondermodelle für Radler mit besonderen Bedürfnissen.
Die unterschiedlichen Modelle, die er für unsere kleine Reisegruppe mitgebracht hat, stehen schon bereit und wir beäugen sie skeptisch. Nach einiger Diskussion sitzt jeder auf einem Rad und dreht eine Proberunde auf dem Parkplatz. Lenken, bremsen und die niedrige Sitzposition sind etwas gewöhnungsbedürftig, dafür wackelt das Rad nicht.
Schon radeln wir auf der schmalen Landstraße in Richtung Malchow, und es fühlt sich ganz gut an. Auf der asphaltierten Straße mit wenig Autoverkehr geht es zügig vorwärts, denn es gibt kaum Steigungen. In Malchow halten wir kurz an. In unmittelbarer Nachbarschaft eines traditionsreichen Saatzuchtbetriebs unterhält die Hochschule Wismar hier Labors und einen Schaugarten für nachwachsende Rohstoffe.
Spaßfaktor: einsame Straßen und Sandwege
In Vorwerk biegen wir rechts ab nach Gollwitz. In rasanter Fahrt geht es jetzt auf holprigem Pflaster bergab bis ins Dorf. Das Liegedreirad macht mir auf diesem Weg schon richtig Spaß, aber es soll noch besser kommen.
Vor Gollwitz liegt in der Ostsee die Vogelschutzinsel Langenwerder. Wat- und Wasservögel finden hier optimale Lebensbedingungen. Interessierte können die Insel im Rahmen einer Führung mit Ornithologen erkunden, aber die Zahl der Besucher ist sehr stark begrenzt. Wer lieber vom Strandkorb aus seltene Vogelarten beobachten möchte, kann dies am Strand von Gollwitz tun. Dieser Ort ist ein Geheimtipp unter Naturfreunden.
Wir biegen hinter dem Ortskern nach links ab und radeln jetzt auf einem Sandweg durch den Küstenwald. Und nun macht das Liegedreirad richtig Freude. Wäre ich mit dem normalen Rad unterwegs, müsste ich jetzt absteigen und durch den teilweise losen Sand schieben. Mit meinem Gefährt ist das kein Thema. Schnell in einen niedrigeren Gang geschaltet und das Fortkommen ist gesichert.
Apropos Gangauswahl: Bevor wir gestartet sind, hat uns Olaf Reinike ermahnt, lieber einen Gang niedriger zu wählen als zu hoch. In der liegenden Position belastet kraftvolles Treten die Knie. Natürlich haben wir es ausprobiert und festgestellt: stimmt. Doch in kleineren Gängen ist die Fahrt absolut bequem und entspannend – zumindest mit dem Rad, das ich ausgewählt habe. Einige Kollegen hatten da weniger Glück. Eine kleine Probefahrt vor der Auswahl lohnt sich auf jeden Fall.
Abwechslungsreich: Küstenwald, Steilküste und Sandstrände
Vorbei am Leuchtturm von Gollwitz geht es nun entlang der Steilküste zum Schwarzen Busch. Hier schließen wir die wertvollen Räder sorgfältig ab, während Spaziergänger und Radfahrer uns teils neugierig, teils verwundert beobachten. Aufmerksamkeit ist uns auf jeden Fall gewiss, wohin wir auch kommen.
Am Schwarzen Busch ist ein kleiner Abstecher zum feinsandigen, breiten Strand ein Muss, auch wenn eine steife Brise weht. In den 1920er-Jahren haben die Kurgäste diesen Strand für sich entdeckt. Aus dieser Zeit stammt auch das frisch restaurierte Kurhaus direkt am Strand. Hier kann man im Strandkorb sitzen, Schiffe gucken und spüren, wie sich langsam Fernweh einstellt. Der Strand Am Schwarzen Busch ist barrierefrei zugänglich, auch Rollstuhlfahrer erreichen den Wassersaum problemlos.
Wir radeln weiter, vorbei am Strandparkplatz mit sieben Behindertenparkplätzen und einer barrierefreien Toilette – Stichwort Urlaub für Alle. Durch eine Ferienhaussiedlung erreichen wir Oertzenhof. Im Café Frieda finden wir einen Platz im Garten. Gestärkt mit Tomatensuppe und Flammkuchen treten wir den Rückweg Richtung Fährdorf an.
Kultur in Kirchdorf auf Poel
Kirchdorf, der Hauptort der Insel, bietet sich für eine weitere Pause an. Die Inselkirche mit dem weithin sichtbaren 47 Meter hohen Turm, das Inselmuseum im Möwenweg, die Reste des Schlosswalls und der Hafen – das sind die wesentlichen Anlaufpunkte für Besucher des Ortes.
Am Ende des Vormittags haben wir die Osthälfte der Insel gesehen. Der guten Beschilderung sei dank waren wir zu jedem Zeitpunkt bestens orientiert. Die Kurverwaltung in Kirchdorf hält außerdem eine detaillierte Inselkarte mit Vorschlägen für Rad- und Wandertouren bereit. Mehrmals wöchentlich finden auch geführte naturkundliche Wanderungen entlang der Naturschutzgebiete und der Küste statt.
Die Liegedreiräder vermietet Olaf Reinike von Ostsee3rad, Lindenweg 41, 23974 Blowatz, www.ostsee3rad.de. Weitere Informationen und Anregungen für barrierefreien Urlaub in Mecklenburg-Vorpommern finden Sie auf www.auf-nach-mv/barrierefrei.