Verhaltensroutine oder ein festes Ritual im Alltag gelten bei Kindern als selbstverständlich und pädagogisch wertvoll. Wer im Erwachsenenalter aber an alltäglichen Ritualen festhält, wird häufig eher belächelt und im fortgeschrittenen Alter können unsere Gewohnheiten sogar schnell als Macken abgetan werden. Zu Recht oder steckt dahinter vielleicht doch viel mehr?
Jeder Mensch bedient sich ritualisierter Verhaltensweisen oder Ritualhandlungen. Dabei gibt es Rituale, die bereits beim Erlernen als solche gekennzeichnet werden oder Rituale, die sich aus wiederkehrenden Alltagshandlungen entwickeln. Alle ritualisierten Handlungsabläufe haben aber die gleiche psychologische Wirkung, nämlich Sicherheit und Beständigkeit in bereits bestehenden Verhältnissen zu schaffen.
Sinn und Zweck der Rituale
Der richtige Kaffeebecher zum Frühstück, ein gemeinsames Ritual vor dem Schlafengehen, der routinierte Gang durch den Supermarkt, der typische Ablauf einer Festlichkeit. Die exakte Abfolge einer wiederkehrenden Handlung als Ritual ist beruhigend, hilfreich, feierlich oder manchmal auch einfach sinnlos.
Denn in ritualisierten Abläufen ist die Intention der Handlung oft zweitrangig. Vielmehr geht es darum, den Beteiligten einen sicheren Handlungsspielraum vorzugeben, in dem jeder weiß, wie er sich zu verhalten hat. Das gilt für Rituale, die nur einzelne Personen oder auch ganze Personengruppen betreffen. Aber Rituale und Gewohnheiten vermitteln nicht nur hilfreiche Strukturen im Alltag und im Sozialverhalten.
Wie profitiert das Gehirn davon?
Für das Gehirn bedeutet Routine nämlich vor allem eins: weniger Anstrengung und eine Entlastung der neuronalen Arbeitskapazität. Denn neue Verhaltensmuster müssen erst mühsam erlernt werden. Daher versucht das Gehirn Denk-, Verhaltens- oder sogar Gefühlsabläufe möglichst zu automatisieren. Haben sich diese einmal im Bewusstsein verankert, fällt es häufig schwer oder führt sogar zu Unbehagen, mit Traditionen zu brechen.
Das bedeutet aber keineswegs, dass das Einhalten von Ritualen statische Denkprozesse schafft. Ganz im Gegenteil: Wenn wir Sinneseindrücke immer wieder von Neuem wahrnehmen oder die gleichen Bewegungsabläufe und Denkprozesse wiederholen, werden bereits bestehende Verknüpfungen im Gehirn reaktiviert – und in einem neuen Kontext aktualisiert.
Dieser Verarbeitungsprozess ist eine evolutionäre Errungenschaft, die es dem Gehirn ermöglicht neue Erfahrungen in ein bestehendes System aufzunehmen und zu verarbeiten. Im Alltag bedeutet das, dass Rituale gezielt als psychologische Entlastung genutzt werden können, um den Geist in einen stabilen Zustand zurückzuführen und die mentale Leistungsfähigkeit positiv zu beeinflussen.
Es gibt also durchaus berechtigte Gründe seinen kleinen “Macken” treu zu bleiben!