Kennen Sie die Abkürzung MPN? Sie steht für „Myeloproliferative Neoplasien“, ein Begriff, mit dem eine Gruppe bösartiger Erkrankungen des Knochenmarks zusammengefasst wird. MPN dient als Oberbegriff für die Polycythaemia vera (PV), die Essenzielle Thombozythämie (ET) und die Primäre Myelofibrose (PMF). Falls Sie davon noch nie gehört haben, befinden Sie sich in guter Gesellschaft. Die seltene Krankheit und häufigste Variante PV ist in Deutschland meist nur den ungefähr 24000 Betroffenen bekannt. Jedes Jahr erkranken bis zu 1500 Menschen neu daran. Die Altersgruppe 59plus ist etwas häufiger betroffen als Jüngere.
Auch viele Ärzte sind mit dieser genetischen Veränderung der blutbildenden Stammzellen nicht vertraut. Das ist besonders tückisch, da die gesteigerte Produktion von Blutzellen bei MPN Folgekrankheiten auslösen kann. Dazu zählen insbesondere gravierende Ereignisse wie Gefäßverschlüsse, Herzinfarkt oder Schlaganfall. Dies lässt sich verhindern, wenn MPN rechtzeitig erkannt wird. Nicht immer ist es leicht herauszufinden, welche der Varianten PV, ET und PMF vorliegen. Für die richtige Diagnose beobachten die Ärzte die Blutwerte und den Verlauf der Krankheit deshalb über einen längeren Zeitraum.
MPN ist heute noch nicht heilbar. Das Krankheitsbild kann aber gut mit Medikamenten behandelt und im Zaum gehalten werden. Der schon in der Antike bekannte Aderlass findet in der Behandlung von PV erfolgreich Anwendung. Ähnlich wie bei einer Blutspende führt die Entnahme dazu, dass das Blut wieder flüssiger wird.
Das MPN-netzwerk e. V. möchte darüber aufklären und informieren. Diese Selbsthilfeinitiative für Menschen mit MPN-Erkrankungen und ihre Angehörigen bietet Orientierung und verlässliche Information. In ihrem Onlineforum können sich Betroffene austauschen und vernetzen.
Welche Symptome weisen auf eine MPN-Erkrankung hin?
Als typische Anzeichen der Krankheit gilt eine stark ausgeprägte Müdigkeit. Sie wird auch Fatigue genannt. Dabei handelt es sich um weit mehr als den (berechtigten) Wunsch nach einem Mittagsschläfchen. Die betroffenen Menschen fühlen sich abgeschlagen und wenig leistungsfähig. Auch Schwindel, Durchblutungsstörungen und Kopfschmerzen nennen Patienten als Symptome. Dazu kann ein Juckreiz kommen, der vor allem nach dem Duschen oder Baden auftritt. Weitere Symptome sind starkes nächtliches Schwitzen und schmerzende Knochen. Der Verlust von Gewicht und eine vergrößerte Milz können ebenfalls Hinweise sein. Natürlich können diese Symptome auch bei anderen Krankheiten auftreten. Wer beispielsweise eine Corona-Erkrankung überstanden hat, leidet oft noch lange an Müdigkeit und einem geschwächten Allgemeinzustand.
Verlieren Sie an Gewicht, sollten Sie zunächst Ihre Schilddrüse untersuchen lassen und einen Diabetestest vornehmen. Eine Überfunktion der Schilddrüse oder ein nicht erkannter Diabetes können bewirken, dass Menschen ungewollt abnehmen. Auch Stress und Belastung im Alltag, zum Beispiel durch die Pflege von Angehörigen, kann dahinterstecken. Ein möglicher Auslöser könnte ebenfalls sein, dass Sie bestimmte Lebensmittel oder Inhaltsstoffe nicht mehr vertragen.
Hält Ihre Schwäche und Müdigkeit jedoch über einen längeren Zeitraum an, wird es Zeit, dass Sie mit Ihrem Hausarzt sprechen.
Spezialisten für MPN und die Werte aus dem Labor
Bestätigt der Hausarzt den Verdacht auf eine MPN-Erkrankung, überweist er meist an einen Hämatologen. Der Hämatologe hat sich als Facharzt für innere Medizin auf Blut, Knochenmark und Milz spezialisiert. Er nimmt im ersten Schritt Blut ab und untersucht dieses gründlich im Labor. Dort ermittelt er den Anteil der festen Bestandteile im Blutvolumen, also die roten Blutzellen. Dieser Wert für die Flüssigkeit des Blutes heißt Hämokrit und sollte unter 45 Prozent liegen. Der Normbereich liegt bei Männern zwischen 40 und 52 Prozent. Bei Frauen ist er niedriger und beläuft sich auf 37 bis 47 Prozent. MPN-Patienten haben häufig einen Hämokrit-Wert von über 60.
Hohe Hämokrit-Werte weisen darauf hin, dass sich das Blut verdicken kann und sich im schlimmsten Fall Blutgerinnsel bilden können. Damit erhöht sich die Wahrscheinlichkeit für einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall. Auch eine Thrombose, ein Milzinfarkt oder eine Lungenembolie können als schwerwiegende Komplikation auftreten.
Ein weiterer auffälliger Laborwert kann die erhöhte Zahl von Thrombozyten sein, also den Blutplättchen. Einen dritten Hinweis können erhöhte weiße Blutzellen geben. Sie werden auch Leukozyten genannt. Außerdem wird das Blut auf die sogenannte JAK2-Mutation untersucht. Nicht alle Erkrankten tragen diese Mutation. Daher ist auch dieses Ergebnis nicht eindeutig.
Für die zweifelsfreie Diagnose wird das Knochenmark punktiert. Dieser Eingriff erfolgt ambulant und kann durch eine kurze Narkose für den Patienten angenehmer gestaltet werden.
Vertrauensvoll mit dem Arzt auf Augenhöhe sprechen
Vor Krankheiten möchten wir uns schützen. Was können wir tun, um eine MNP-Erkrankung zu verhindern? Auf diese Frage hat die Forschung noch keine Antwort. Bislang wird vermutet, dass sie zufällig auftritt. In einzelnen Fällen wurde jedoch auch schon eine familiäre Häufung beobachtet.
Da sich die Krankheit bislang nicht heilen lässt, ist es für die Patienten zunächst wichtig, den chronischen Verlauf zu akzeptieren. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen dem Arzt und seinem aufgeklärten Patienten ist dabei hilfreich. Sie sorgt dafür, dass die Werte regelmäßig überwacht und die Krankheit mit dem richtigen Medikament gut behandelt wird. Mit dieser Voraussetzung entspricht die Lebenserwartung der Patienten dem Durchschnitt in der Bevölkerung und Komplikationen lassen sich im Regelfall vermeiden.
Als Patient haben Sie das Recht auf eine zweite ärztliche Meinung. Daher kann es sinnvoll sein, die Befunde mit einem weiteren Spezialisten zu besprechen. Einige der auf MPN-Erkrankungen spezialisierten Ärzte und Institute melden zudem die anonymisierten Patientendaten an eine MPN-Registerstudie. Durch die Sammlung und Analyse der Daten können die Behandlungsmethoden verbessert werden.
Die Seele bei MPN nicht vergessen
Eines ist wichtig zu wissen. Es gibt nicht den einen Krankheitsverlauf und auch nicht die eine Behandlungsmethode. Die Ärzte entwickeln mit ihren Patienten gemeinsam eine maßgeschneiderte Behandlung. Körper und Seele gehören dabei untrennbar zusammen. Die Patienten sollten schauen, was ihnen am besten hilft, um mit der Krankheit gut leben zu können. Manchen Menschen reicht der Austausch mit Freunden und der Familie. Andere profitieren von Gesprächen mit Patienten in einer Selbsthilfegruppe und Weitere nehmen dankbar die Unterstützung eines Psychotherapeuten in Anspruch. Auch die traditionelle chinesische Medizin oder naturheilkundliche Verfahren können eine gute Ergänzung sein. Sie ersetzen allerdings die Schulmedizin nicht.
In jedem Fall ist es wichtig, den Verlauf der Krankheit eng zu überwachen. Regelmäßige Arzttermine und Untersuchungen sind daher Pflicht und der Patient sollte die empfohlene Behandlung gewissenhaft befolgen.
Sowohl vorbeugend als auch um eine Verschlimmerung der Krankheit zu verhindern, empfiehlt es sich, möglichst gesund zu leben. Was heißt das?
- Hören Sie auf zu rauchen oder fangen Sie erst gar nicht damit an
- Behandeln Sie mögliche Herz- und Kreislauferkrankungen, Diabetes oder einen zu hohen Cholesterinspiegel
- Ernähren Sie sich gesund und ausgewogen und vermeiden Sie starkes Übergewicht
- Bewegen Sie sich regelmäßig, zum Beispiel beim Wandern, Schwimmen oder Radfahren. Auch Venengymnastik wird empfohlen.
Ihnen hat unser Beitrag über das seltene Krankheitsbild MPN gefallen? Als Nächstes informieren wir Sie über die ebenfalls selten auftretende Erkrankung ITP. Bleiben Sie gesund!