Der technische Fortschritt beeindruckt uns, macht manchmal aber auch Angst. Wir haben Sorge, nicht Schritt halten zu können oder fürchten, dass sich etwas für uns verschlechtert. Derzeit ist oft von Telemedizin die Rede und es werden bereits die ersten Stimmen laut, die sich deutlich dagegen aussprechen. Sie wollen weiterhin den persönlichen Kontakt mit ihrem Arzt und mit ihm nicht nur am Bildschirm verbunden sein. Wird die telemedizinische Patientenversorgung klug eingesetzt, profitieren die Menschen und die Mediziner davon. Es sollte nicht primär darum gehen, Kosten einzusparen, sondern die Qualität der Versorgung zu verbessern. Die Schweiz, USA, Großbritannien und die skandinavischen Länder setzen Telemedizin schon viele Jahre erfolgreich ein.
Gehen Sie zum Arzt, stellt dieser nach dem Gespräch und einer Untersuchung die Diagnose. Mit der verschriebenen Arznei oder den empfohlenen Anwendungen starten Sie dann die Behandlung. Haben Sie später noch Fragen oder wollen sichergehen, dass die Behandlung Erfolg hatte, müssten Sie sich ein zweites Mal auf den Weg machen. In diesen Fällen profitieren Sie von der Onlinesprechstunde.
Zur Telemedizin gehört jedoch mehr als nur die Videosprechstunde mit dem Arzt, nämlich:
- Der digitale Arztbrief, Patientenakte und Gesundheitskarte
- Telemonitoring, um regelmäßig sogenannte Vitaldaten des Patienten elektronisch zu übertragen (dieses Konzept hat sich zum Beispiel bei der Betreuung von Patienten mit Herzerkrankungen bewährt)
- Sprechstunde per Telefon oder Video zwischen Patient und Arzt, aber auch zwischen Ärzten
Vorteile der Telemedizin
Leben Sie in einer ländlichen Region, ist der Weg zum nächsten Facharzt oft weit und beschwerlich – insbesondere, wenn Sie krank sind. In den Ballungsgebieten gibt es zwar mehr Arztpraxen, allerdings sind diese überlaufen, und Sie müssen lange auf einen Termin warten. Mitunter brauchen Sie schon Geduld, um telefonisch einen Termin zu vereinbaren, weil die Leitung belegt ist. Sind Sie schließlich vor Ort, verbringen Sie in der Regel noch einige Zeit im Wartezimmer. Auch hier kann es attraktiv sein, einen Nachsorgetermin über das Telefon oder den Computer zu führen. Generell geht es bei der Telemedizin nicht darum, den persönlichen Kontakt zu ersetzen, sondern ihn sinnvoll zu ergänzen.
Wie funktioniert die Telemedizin?
Bietet Ihr Arzt bereits eine Sprechstunde per Video an, müssen Sie über einen Computer oder ein mobiles Endgerät wie Tablet erreichbar sein. Das jeweilige Gerät benötigt eine funktionsfähige Kamera (Webcam) und ein funktionierendes Mikrofon, damit Bild und Ton für den Chat per Video übertragen werden. Verfügen Sie zu Hause über ein stabiles W-LAN, kann es zum vereinbarten Termin schon losgehen. Vorab erhalten Sie eine TAN, die nur für diesen Termin gültig ist. Durch die Eingabe dieser Ziffernkombination können Sie das virtuelle Sprechzimmer Ihres Arztes betreten.
Die Grenzen der Telemedizin
Natürlich gibt es weiter viele Gründe, die Arztpraxis aufzusuchen. Über die Distanz kann Ihnen der Arzt weder Blut abnehmen noch eine Spritze geben. Obendrein liegt es am behandelnden Arzt, in Zweifelsfällen die Grenze zu ziehen, und den Patienten doch in die Praxis einzubestellen oder ihm einen Hausbesuch abzustatten. Dafür entscheidet sich der Arzt immer dann, wenn er im Rahmen der Telemedizin keine zweifelsfreie Diagnose treffen kann. Kritiker des Systems unterstellen, dass Patienten häufiger ihren Arzt konsultieren, weil der Zugang über Telefon oder Chat bequemer funktioniert.
Die Ärzte sollten nicht einfach den Computer einschalten, sondern benötigen spezielle Schulungen, um mit der neuen Situation umgehen zu können. Das Gleiche gilt für ältere Patienten, die gelegentlich Unterstützung benötigen, um mit der neuen Technik klarzukommen.
Wie ist die Gesetzeslage zur Telemedizin?
Bereits 2015 trat in Deutschland das E-Health-Gesetz in Kraft. Dieses Gesetz soll besonders darauf achten, dass Patientendaten mit der nötigen Sorgfalt verarbeitet werden und der Datenschutz jederzeit gewährleistet ist. Die Krankenkassen fordern zudem, dass der Patient schriftlich einwilligen muss, dass er die Teilnahme an einer Videosprechstunde wünscht. Die Übertragung wird speziell verschlüsselt und darf nicht aufgezeichnet werden. Deshalb nutzen die Arztpraxen auch zertifizierte Videodienstanbieter und nicht gängige Anbieter wie Skype, die Sie von Ihrer privaten Internetnutzung her kennen.
Im Frühsommer 2018 beschloss der Deutsche Ärztetag das bislang gültige Fernbehandlungsverbot zu lockern. Unmittelbar wirkt sich die Entscheidung des Deutschen Ärztetages noch nicht aus. Zunächst müssen die 17 deutschen Landesärztekammern die Änderung in den jeweiligen Bundesländern umsetzen.
Dieses Verbot stammt aus einer Zeit, als Briefe das gängige Kommunikationsmittel waren. Dass sich eine Korrespondenz per Brief schwer für die Diagnose und Behandlung einer akuten Erkrankung eignet, liegt auf der Hand. Im Zuge der Digitalisierung gibt es jedoch viel mehr Möglichkeiten. Daher dürfen künftig Ärzte auch jene Patienten über Telefon, Onlinechat oder Videosprechstunde behandeln, die sie nicht zuvor persönlich kennengelernt haben. Die Entscheidung, ob dies im Einzelfall vertretbar ist, bleibt beim Arzt.
Die Bundesärztekammer machte bei ihrer Entscheidung deutlich, dass digitale Techniken nicht die notwendige Zuwendung von Ärzten und Ärztinnen ersetzen dürfen. Anders ausgedrückt: Der persönliche Kontakt bleibt weiterhin der „Goldstandard“ in der Medizin.
Wie ist Ihre Erfahrung mit der Telemedizin? Haben Sie bereits per Video mit Ihrem Arzt Kontakt aufgenommen oder planen Sie dies?