Der Moment kann ganz plötzlich eintreten. Oder sich über einen längeren Zeitraum hinweg abzeichnen. Doch immer bricht eine Welt zusammen, wenn sich herausstellt, dass ein lieber Mensch pflegebedürftig geworden ist. Die Erkenntnis, dass nichts mehr so sein wird wie früher, schmerzt. Trotzdem gilt es jetzt, kühlen Kopf zu bewahren und positiv in die Zukunft zu blicken.
Wie sich das Leben trotz Pflegebedürftigkeit eines Familienangehörigen – sowohl für die Pflegenden als auch den Pflegebedürftigen – künftig gestaltet, ist abhängig von den Schritten, die Sie jetzt unternehmen.
Gehen Sie die Aufgabe, vor der Sie nun stehen, beherzt an, um das Beste aus den Umständen zu machen. Denn das Leben geht weiter. Und Sie selbst entscheiden über das Wie. In vier Schritten erklären wir, was zu tun ist.
1. Machen Sie sich ein Bild, welche Art und wie viel Hilfe benötigt wird
Braucht der Angehörige 24-Stunden-Betreuung oder vielleicht nur stundenweise Hilfe, um den Alltag zu bewältigen? Das ist die Frage, auf die Sie zuerst eine Antwort finden sollten. Tatsächlich ist in Deutschland geregelt, wann ein Mensch als pflegebedürftig gilt. Im Sozialgesetzbuch ist auch festgelegt, wie der Grad der Pflegebedürftigkeit gemessen und beurteilt wird.
Der Begriff der Pflegebedürftigkeit orientiert sich inzwischen daran, wie selbstständig ein Mensch seinen Alltag bewältigen kann. Seit dies so ist, haben auch Menschen mit geistigen, kognitiven und psychischen Beeinträchtigungen Recht auf Leistungen aus der Pflegeversicherung.
2. Stellen Sie einen Antrag auf einen Pflegegrad
Um Leistungen aus der Pflegeversicherung zu erhalten, muss der Pflegebedürftige selbst einen Antrag bei der Pflegekasse stellen. Zuständig ist jeweils die Pflegekasse bei der Krankenkasse des Versicherten.
Wichtig: Sie können den Antrag vorbereiten, unterschreiben muss jedoch der potenziell Pflegebedürftige selbst.
Ausnahme: Wenn Sie per Betreuungs- oder Vorsorgevollmacht vom Pflegebedürftigen als Vertreter ermächtigt sind, dürfen Sie den Antrag einreichen.
Achtung: Ehepartner und Kinder sind nicht automatisch vertretungsberechtigt, wenn ein Mensch nicht mehr selbst entscheiden kann. Deshalb ist es wichtig, rechtzeitig mit einer Vorsorgevollmacht oder einer Betreuungsvollmacht rechtliche Sicherheit zu schaffen für den Fall der Fälle.
Ganz praktisch reicht ein formloses Schreiben, in dem Sie einen Antrag auf einen Pflegegrad stellen und um Begutachtung bitten.
3. Bereiten Sie den Besuch des Gutachters gut vor
Nach der Antragstellung wird ein Gutachter des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) oder bei Privatversicherten von MEDICPROOF seinen Hausbesuch ankündigen. Seine Aufgabe ist es, den Unterstützungsbedarf zu analysieren.
Nun hat jeder schon davon gehört, dass sich beim Besuch des Gutachters Wunderheilungen ereignet haben, die aber in Wirklichkeit keine waren. Pflegebedürftige tun sich oft schwer, gegenüber dem Gutachter Schwächen einzugestehen. Das führt zu Fehlbeurteilungen, Ärger und finanziellen Einbußen. Mit guter Vorbereitung können Sie vermeiden, dass der Gutachter einen falschen Eindruck gewinnt.
- Ein Pflegetagebuch, in dem Sie den Pflegeaufwand dokumentieren, erhöht die Chancen einer richtigen Beurteilung
- Besorgen Sie wichtige Unterlagen über die Erkrankung und Vorerkrankungen des Pflegebedürftigen, Entlassungsberichte des Krankenhauses, Schwerbehindertenausweis und ähnliches. Wenn Sie jeweils Kopien zur Hand haben, kann der Gutachter diese gleich mitnehmen.
- Eine Liste der behandelnden Ärzte und Therapeuten ist ebenfalls hilfreich. Vermerken Sie auch, wie oft diese aufgesucht werden müssen.
- Halten Sie alle Hilfsmittel wie beispielsweise Rollator oder Elektromobil, die der pflegebedürftige Angehörige benötigt, bereit.
- Legen Sie dem Gutachter eine detaillierte Liste der pflegenden Personen mit Angabe der Betreuungshäufigkeit und -dauer vor.
- Holen Sie sich, wenn möglich, kompetente Unterstützung von einem Mitarbeiter eines Pflegestützpunktes oder Pflegedienstes. Diese Fachkräfte wissen, worauf es bei der Begutachtung ankommt und können beim Besuch des MDK eine wertvolle Hilfe sein.
4. Machen Sie sich Gedanken, wer die Pflege übernimmt
Vor dem Besuch des Gutachters sollten Sie bereits eine Entscheidung darüber treffen, wer den Angehörigen wo pflegt. Können Sie diese Aufgabe selbst übernehmen, vielleicht mit Unterstützung eines häuslichen Pflegedienstes oder anderen Helfern? Kommt eine Tagespflege in Betracht? Oder bleibt nur die stationäre Pflege in einer Einrichtung?
Viele Familien bevorzugen die Pflege in den eigenen vier Wänden, denn so kann der Pflegebedürftige in der gewohnten Umgebung und bei den Angehörigen bleiben. Technische Hilfsmittel wie beispielsweise Treppenlifte, ein Aufzug oder Badewannenlifte helfen allen Beteiligten. Sie erlauben bewegungseingeschränkten Menschen ein hohes Maß an Unabhängigkeit und damit auch Zufriedenheit.
Mit dem Gutachter des MDK sollten Sie ebenfalls besprechen, wie die Pflege organisiert werden soll. Teilen Sie ihm gleich beim Begutachtungstermin mit, ob beispielsweise ein Pflegebett, ein Rollstuhl oder Reha-Maßnahmen benötigt werden. Auch die aktuelle Wohnsituation ist Gegenstand des Gesprächs, wenn Ihr Angehöriger zuhause gepflegt werden soll. Zeigen Sie Defizite auf, damit der Gutachter Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfelds berücksichtigen kann.
Gut zu wissen: Beantragen Sie für Verbesserungsmaßnahmen wie beispielsweise den Einbau eines Treppenliftes oder eines Privataufzugs die dafür zur Verfügung stehenden Zuschüsse. Mehr darüber erfahren Sie im März.