Gestartet habe ich meine eigene Wohnbiographie zu Beginn meines Studiums mit dem Auszug aus dem Elternhaus und dem Einzug in eine Studenten WG. Die erste große Veränderung. Danach kam die erste Wohnung mit meinem Mann, dann nach einigen beruflich bedingten Umzügen das erste Haus. Wir lebten für 8 Jahre in einem Reihenhaus, die Kinder waren noch klein und wir waren gerade nach Ratingen gezogen.
Neustart in der Neubausiedlung
Da es sich um eine Neubausiedlung handelte, war es für alle gleichermaßen ein Neustart. Es gab überwiegend junge Familien mit kleinen Kindern und so verband uns die Lebenssituation und die räumliche Nähe. Es entstanden schnell die ersten Freundschaften zwischen den Kindern und den Erwachsenen. Gerne denke ich an diese Zeit zurück. Aber eines Tages zogen nebenan neue Nachbarn ein und wir fühlten uns auf unserer eigenen Terrasse nicht mehr wohl.
Es kam der Tag, an dem wir über einen Umzug nachdachten. Kennen Sie das Phänomen auch? In dem Moment, wenn der Gedanke laut ausgesprochen ist, verändert sich die Wahrnehmung. Ab dem Tag sahen wir nur noch das Negative. Für uns war ab dem Zeitpunkt der Weg in Richtung Verkauf vorgezeichnet. So hatten auch wir damals eine Initialzündung zu einer Veränderung. Wir sahen die Veränderung als Chance zum Besseren und zogen in unser jetziges Haus.
Lebensphasenimmobilien
Heute, 10 Jahre später, sind wir in der Situation, dass die Kinder aus dem Haus sind. Beide studieren und haben eigene Wohnungen. Wo das Leben sie hin verschlägt, wissen wir noch nicht. Aber es ist eher unwahrscheinlich, dass sie ins Elternhaus zurückkommen. Also stehen wir wieder einmal vor der Frage: Verändern oder Bleiben? Zumal sich das Haus am Ortsrand zwar wunderschön in Waldnähe befindet, aber zur Nahversorgung unbedingt ein Auto erforderlich ist. Das Grundstück ist groß und schon heute kostet der Unterhalt für Haus und Garten eine Menge Geld.
Es ist genauso wie ich es immer in den Beratungen anspreche: „Nicht nur Sie kommen in die Jahre, auch Ihre Immobilie.“ Wir stehen nun genau vor derselben Entscheidung, vor der viele andere Menschen auch stehen. Lohnt es sich in ein neues Badezimmer (selbstverständlich barrierefrei) zu investieren? Oder die Frage nach der Nutzung der leerstehenden Zimmer? Wie entscheiden wir richtig in Zeiten der hohen Immobilienpreise? Wie machen wir es richtig und zu welchem Zeitpunkt?
Wann ist es an der Zeit für eine erneute Veränderung?
Sie sehen, die Fragen und Probleme bei einem Wohnungswechsel und die Hürden bei Veränderungsprozessen sind auch bei mir schon akut. Es ist nicht wie man meinen könnte, dass diese Fragen erst im Alter aufkommen! In der Wohnpsychologie spricht man von Lebensphasenimmobilien bzw. von der sogenannten Wohnbiographie. Die Wohnsituation sollte idealerweise immer zu der Lebenssituation passen. Soweit die Theorie.
Wie kommt man nun aber zu einer Entscheidung? Es braucht vor allem Mut zu Veränderungen, aber zuallererst Anreize und Vorbilder. Das wurde mir heute sehr bewusst, als ich mit meiner Mutter zusammensaß. Sie hat nach dem Tod meines Vaters das Elternhaus verkauft und ist vom Dorf in die Stadt gezogen. Hier hat sie nun perfekte Bedingungen zum alt werden. Genauso wie bei uns in der Neubausiedlung damals, sind alle Bewohner hier gemeinsam gestartet, viele in ähnlicher Lebenssituation. Die Neubauwohnung ist barrierefrei, das Altenheim ist gegenüber, der Supermarkt, ein Café und das Krankenhaus in fußläufiger Entfernung. Sogar die Fußgängerzone kann sie zu Fuß erreichen.
Dem Neuen eine Chance geben
Traumhafte Bedingungen. Die 13 Bewohner sind zwischen 62 und 87 Jahre alt. Auch hier hat sich aus der ähnlichen Lebenssituation und der räumlichen Nähe eine tolle Nachbarschaft entwickelt. Die Bewohner helfen sich gegenseitig, machen Krankenbesuche und verbringen vor allem viele schöne Stunden zusammen. Geburtstage werden gemeinsam gefeiert und vor allem weiß jeder, dass er in der Not nur nebenan klingeln muss. Auch ihr ist der Abschied vom Haus, indem sie über 40 Jahre gelebt hatte, sehr schwergefallen. Gerade wenn jemand noch nicht so oft die Erfahrung des Wohnungswechsels und der damit einhergehenden Veränderungen gemacht hat, fällt die Entscheidung besonders schwer.
Heute ist sie zu Recht stolz, dass der Neubeginn in eine neue Lebensphase so gut gelungen ist. Die alten Nachbarn und Freunde, die damals diesen Weg für sich kategorisch ausgeschlossen hatten, fragen heute an, ob in dem Wohnprojekt nicht noch eine Wohnung frei wäre. Ein Vorzeigebeispiel, welches auch mir Mut macht, mich mit dem Thema Wohnen im Alter zu beschäftigen.
Auch wenn ich noch nicht weiß, wo die Reise für mich hingeht, so habe ich doch das gute Gefühl, einen Anfang gemacht zu haben. Sich mit dem Thema zu beschäftigen und Vorbilder im Verwandten- oder Freundeskreis zu suchen – so könnte jeder seine Aussteuer für das Alter starten. Informationen sammeln, Vorsorgethemen in der Familie ansprechen, seine Wohnwünsche herausfinden sind dann weitere Schritte. Aber gerade der erste Schritt ist bekanntlich ja immer der schwerste.
Herzlichst Ihre