Nach einem erfüllten Berufsleben in Rente zu gehen ist ein Einschnitt. Manche Menschen brauchen zunächst Zeit, um im neuen Lebensabschnitt anzukommen und sich zu orientieren. Sie suchen sich neue Aufgaben und strukturieren ihre Tage, ohne den festen Ablauf der Berufstätigkeit. Nur noch zu Hause zu sitzen ist für die wenigsten eine Option, vorausgesetzt die Gesundheit spielt mit. Mancher ist mit der Pflege seines Schrebergartens ausgefüllt, ein anderer betreut regelmäßig die Enkelkinder und ein Dritter engagiert sich ehrenamtlich. Dann gibt es noch die Universität 3. Lebensalter.
Wer das Motto des lebenslangen Lernens wörtlich nimmt, beschäftigt sich zudem geistig und lernt Neues, zum Beispiel eine Fremdsprache für Urlaubsreisen. Kurse zu besuchen und Neues zu lernen strukturiert den Tag und die Woche und sorgt für Begegnungen, Herausforderungen und Erfolgserlebnisse. Wer als junger Mensch nicht studieren durfte oder konnte, verspürt manchmal im Alter einen Nachholbedarf nach Wissen und Bildung. Für Frauen, die vor einigen Jahrzehnten ihre Schulausbildung beendeten, war der Weg an die Universität noch eine große Ausnahme. Häufig bekamen sie in der Familie zu hören: „Du heiratest ja doch“. Auch dafür gibt es die Universität des 3. Lebensalters.
Die Universität 3. Lebensalter für Senioren
Die Angebote der Universität 3. Lebensalter werden immer beliebter. Über 50 Universitäten organisieren kostenpflichtige Vorlesungen, Seminare und Vorträge unterschiedlicher Fachgebiete, speziell für die Zielgruppe der Älteren. Auch Senioren, die früher schon studierten, haben daran ihre Freude. Statt sich aus Gründen der Vernunft für Jura, Medizin oder BWL zu entscheiden, wählen sie nun frei das Thema, das sie schon immer interessierte. Warum nicht Kunstgeschichte, Altgriechisch oder Philosophie studieren?
Bei den Seniorinnen ist das Studium sehr beliebt. An der Goethe-Universität in Frankfurt kommen auf vier ältere Studenten sechs Studentinnen im Seniorenalter. Knapp viertausend Studierende besuchen in Frankfurt mittlerweile die Universität 3. Lebensalter. Beim Einstieg sind sie durchschnittlich 65 Jahre alt und somit gerade in Rente gegangen. Laut einer Umfrage in Frankfurt studierte jeder fünfte der älteren Studierenden schon seit über 20 Semestern, also seit mehr als zehn Jahren. Daher verwundert es wenig, dass Sie an der Universität auch über 90-Jährige antreffen.
Kosten und Voraussetzungen des Studiums für Senioren
Sie haben den Ehrgeiz, im hohen Alter noch ein Studium abzuschließen, und wollen vielleicht sogar eine Doktorarbeit schreiben? In diesem Fall kommt Sie nicht umhin, sich für ein normales Studium einzuschreiben. In Hessen studieren beispielsweise derzeit über 600 Studierende der Altersgruppe 59plus an einer Universität. Neben dem Studium an der Präsenzuniversität können Sie auch die Ausbildung an einer Fernuniversität wählen. An der Fernuni Hagen studieren schon seit Jahrzehnten Menschen von zu Hause. Lediglich ihre Prüfungen legen sie in lokalen Studienzentren ab.
Der zweite Beruf führte in die kleine Stadtteilkirche
Frau Dr. Helga Bill schrieb sich nach dem Ausstieg aus dem Beruf als Lehrerin kurzerhand an der Frankfurter Goethe-Universität für das Studium der Kunstgeschichte ein.
Für ihre Magisterarbeit suchte sie sich ein interessantes Objekt in ihrer Nähe. Sie forschte intensiv in der kleinen barocken Kreuzkirche im Frankfurter Stadtteil Preungesheim. Bei einer Renovierung Ende der 1990er Jahre wurden dort Wandbilder aus dem späten 13. Jahrhundert wiederentdeckt. Zehn Jahre lang arbeitete ein Team von Restauratoren konservatorisch daran. Frau Dr. Bill untersuchte kunst- und kulturwissenschaftlich die eindrucksvollen Wandgemälde. Sie interessiert sich nicht nur theoretisch für Kunst, sondern ist selbst schon lange Jahre künstlerisch tätig. Da sie ihr Kunstwissen gerne teilt, hält sie im Rhein-Main-Gebiet auch öffentliche Vorträge zu aktuellen Kunstausstellungen im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Kunstparcours“.
Fit im Kopf durch das Studium für Senioren
Die Universität 3. Lebensalter ist nicht für jeden etwas. Manche Menschen möchten mehr Kontakt zu den jüngeren Studierenden und schreiben sich für „normale“ Studiengänge ein. Dieser Ansatz ist nicht unumstritten, denn mitunter sitzen die „älteren Semester“ in den ersten Reihen, weil sie genug Zeit haben, um frühzeitig im Hörsaal einzutreffen. Bei den jungen Studierenden, die ihre Erstausbildung absolvieren, stoßen die älteren Kommilitonen daher nicht immer auf Gegenliebe. Rosemarie Achenbach kennt solche Bedenken nicht, sie schreibt mit über 90 Jahren an der Uni Siegen fleißig an ihrer Doktorarbeit. Ihr Thema lautet: der Tod.
Als Gasthörer einer Universität oder als Studierender einer Universität 3. Lebensalter brauchen Sie sich diese Sorgen nicht zu machen. Plätze für Gasthörer gibt es nur in Fächern und für Vorlesungen, die nicht hoffnungslos überlaufen sind. Pro Semester zahlen Sie einen Beitrag zwischen 50 und 500 Euro. Altersgrenzen sind weder nach unten noch nach oben gesetzt. Wer bereits im Alter Ü50 an die Uni gehen möchte, kann das genauso tun wie ein fitter 99-Jähriger. Sie müssen auch kein Abitur vorweisen, um das Studium aufzunehmen. Sie leiden unter Prüfungsangst? Keine Sorge, das Studium endet ohne Abschluss und ohne die zugehörige Prüfung.
Auf zur Bürgeruniversität oder doch lieber an die Seniorenuni?
An einigen deutschen Universitäten gibt es mittlerweile sogenannte Bürgeruniversitäten. Mit ihrem überwiegend kostenfreien Programm wollen die Universitäten ganz normalen Bürgern wissenschaftliche Themen näher bringen.
Am Europäischen Zentrum für universitäre Studien in Bad Meinberg gibt es seit 2006 sogar eine spezielle Seniorenuniversität. Ältere Menschen können dort weiterbildende Studiengänge besuchen oder Vorlesungsreihen. In verschiedenen Veranstaltungsformaten erweitern die Teilnehmenden ihr Wissen über gesellschaftliche, politische, philosophische, naturwissenschaftliche oder gesundheitliche Themen.
Neueste wissenschaftliche Erkenntnisse betonen, wie wichtig körperliche und geistige Fitness im Alter sind, um einer Demenz vorzubeugen. Daher ist die geistige Beschäftigung durch ein Studium an der Universität 3. Lebensalter ein hervorragendes Hobby. Dazu kommen der Kontakt zu Menschen mit ähnlichen Interessen und die Möglichkeit, die Allgemeinbildung zu verbessern.
Haben Sie eines der genannten Angebote schon einmal genutzt und falls ja, wie hat es Ihnen gefallen? Haben Sie weitere Tipps für unsere Leser, wie sie sich im Rentenalter fortbilden und geistig fit halten können?