Vor einigen Monaten haben wir in unserer Rubrik “Vom Leben und Sterben” die Geschichte von Marthe B. (75) und ihrem Kampf gegen den Krebs veröffentlicht. Wir hofften mit ihr, dass die Chemo- und Strahlentherapie erfolgreich verlaufen würde. Leider konnte die Ausbreitung der Krankheit nicht gestoppt werden. Marthe B. im Gespräch über ihre Entscheidung für eine alternative Betreuung durch den Palliativarzt Dr. Matthias Thöns.
Hallo Marthe, nach 20 Chemotherapien erfuhren Sie, dass der Krebs nicht gestoppt wurde.
Das war ganz schlimm! Ich hatte natürlich gehofft, dass die Therapie anschlägt. Das war ein schrecklicher Rückschlag und die Ärzte empfahlen, mit der Chemo weiterzumachen. Zwischen den ersten Chemos hatte ich immer drei Wochen Pause, aber nachdem klar war, dass sie nichts gebracht hatten, wurde der Abstand verringert und ich musste alle zwei Wochen in die Klinik. Das bedeutete, wenn ich nach der Chemo eine Woche zu Hause war, habe ich nur gelitten und dann musste ich schon wieder los zur nächsten. Ich bin mit großem Widerwillen hingegangen und fühlte mich schon wie halbtot.
Dabei sind Sie so ein geselliger und lebenslustiger Mensch …
Ich lache so gerne. Wenn ich mit Menschen lachen kann, ist das für mich ein wahrer Jungbrunnen. Der Körper und die Gesichtsmuskeln entspannen sich und Glückshormone werden ausgeschüttet. Die Wirtin unserer Lieblingskneipe hat einmal zu mir gesagt: “Ich brauche dich nicht zu sehen, aber ich weiß genau, wo du sitzt. Deine Lache ist unverkennbar”.
Was war der Auslöser dafür, dass Sie sich für eine palliative Behandlung entschieden haben?
Vor der Chemo sollte ein Eingriff vorgenommen werden, um zu sehen, welche Metastasen sich gebildet haben und ob eine weitere Chemo sinnvoll wäre. Das hat mich viele schlaflose Nächte gekostet und ich habe mich entschlossen, die Behandlung abzubrechen. Mein Bauchgefühl hat mir gesagt “Lass es sein. Nimm es so, wie es ist”. Ich hatte es ja schwarz auf weiß, dass keine Heilung möglich ist. Während dieser Zeit traf ich eine sehr gute Freundin von mir, deren Vater und Mutter durch das Palliativ-Zentrum in Witten betreut wurden. Sie hat mir richtig davon vorgeschwärmt und gemeint, es sei auch das Beste für mich.
Wie sieht die Begleitung durch Dr. Thöns aus?
Die Chemie zwischen uns stimmt total. Wenn er einmal in der Woche vorbeikommt, bringt er manchmal seinen kleinen Sohn mit. Das ist sehr hilfreich, weil er mich zum Lachen bringt und eine entspannte Atmosphäre schafft. Sonst stehen Dr. Thöns und ich per E-Mail in Verbindung. Jeden Morgen schreibe ich ihm wie es mir geht und ob ich noch Medikamente gegen die Schmerzen brauche. Ergänzend bekomme ich Astronautenkost, weil ich so wenig Appetit habe. Es gibt verschiedene Geschmäcker. Weil ich gerne Vanille mag, habe ich mir das ausgesucht. Das trinke ich wie ein Smoothie und es tut mir richtig gut.
Dr. Thöns rät mir, alles zu essen, was ich mag, egal ob mit Butter oder Sahne. Hauptsache es ist reichhaltig und schmeckt mir. Und ich soll raus und unter Leute gehen. Er bestärkt mich darin, mich nicht als Patient, sondern als vollwertiger Mensch zu fühlen und alles, was in meinen Kräften steht, zu machen. Ich gehe jeden Tag ein halbes Stündchen durch die gute Luft. Und auch mal mit meinem Mann einkaufen. Natürlich muss ich mich mehr ausruhen und vor allem nachts wache ich sehr oft auf.
Wie hat sich Ihr Tagesablauf geändert?
Erstens bin ich langsamer geworden. Ich war immer eine Schnelle, aber jetzt bin ich körperlich so schlapp und das macht mich ungeduldig. Ich stehe auch später auf als früher und wenn ich jetzt wach werde, habe ich sofort Hunger. Sonst kann ich inzwischen ganz schlecht essen. Aber morgens brauche erst einmal eine schöne Tasse heißen Tee und ein halbes Butterbrot. Und dann beginnt mein Tag und ich tue das, was mir möglich ist, langsam und mit mehr Pausen, um mich auszuruhen.
Haben Sie noch zusätzliche Unterstützung, zum Beispiel im Haushalt?
Über das Rote Kreuz, das an das Palliativ Zentrum angeschlossen ist, habe ich Kontakt zu einer Dame aufgenommen, die mich regelmäßig besucht und sich mit mir unterhält. Gott sei Dank habe ich auch noch meinen Mann, der mich sehr bei allem unterstützt. Ich habe ein gutes Netzwerk und sehr gute Freundinnen. Und alles, was mir nicht guttut, lasse ich sein, denn es ist ja mein Leben. Ich bin mit meiner Erkrankung viel hellhöriger geworden. Heute schaue ich die Menschen an und weiß, wie es ihnen geht und was mit ihnen los ist. Das ist mir früher entgangen.
Was tut Ihnen gut?
Rauszukommen aus dem Alltag. Neulich habe ich mit meinem Mann Fuerteventura besucht. Meine Ärzte haben grünes Licht gegeben, mich mit Medikamenten versorgt und mich sehr motiviert es zu tun! Ich habe es so genossen, am Atlantik zu sitzen. Und die Sonne war herrlich. Es tat gut, sich mit anderen Leuten zu unterhalten und Kontakt aufzunehmen. Das habe ich immer schon gerne gemacht.
Wir bedanken uns sehr herzlich für das offene Gespräch und wünschen Marthe B. weiterhin viel Kraft und liebevolle Unterstützung!