Am 26. April 1986 ereignete sich im sowjetischen Kernkraftwerk Tschernobyl der Supergau: In Block 4 explodierte der Reaktor. Dies ging als schwerwiegenster Unfall in einem Kernkraftwerk in die Geschichte ein. Seine Nachwirkungen sind noch heute spürbar.
Eine Simulation wird zum Ernstfall
Damals erwartete niemand eine derartige Katastrophe, vor allem weil Tschernobyl in der ehemaligen Sowjetunion als Musteranlage galt. Der Reaktor im Block 4 war überhaupt erst drei Jahre vor dem unsäglichen Unglück in Betrieb genommen worden. Als man an besagtem Tag im April 1986 einen Stromausfall simulierte um zu zeigen, dass die Anlage auch ohne reguläre Stromversorgung weiterarbeitet, scheiterte der Versuch kläglich.
Die Reaktorleistung steigt plötzlich viel zu schnell an. Schichtleiter Alexander Akimov kann das Schreckliche nicht verhindern: Es kommt zu einer Kernschmelze, der Reaktormantel explodiert. Ein Großteil der Radioaktivität gelangt in die Umwelt, zerstört Lebensraum für Mensch und Tier, ruiniert das Leben derjeniger, die sich in und um das Kraftwerk aufhalten und läßt zahlreiche Menschen an den Spätfolgen sterben. Der Brand, der direkt im Reaktor entstand, konnte erst Tage später gelöscht werden.
Tschernobyl – eine internationale Katastrophe
Der Nuklear-Unfall von Tschernobyl betraf und betrifft jedoch nicht nur die Bevölkerung in der direkten Umgebung des Kraftwerkes, sondern auch Einwohner zahlreicher Regionen, die man zunächst nicht mit der Katastophe in Verbindung bringt. Die freigesetzte radioaktive Strahlung gelangte durch die Rauchbildung in große Höhe, bis zirka 1700 Meter. Durch Winde wird sie nach Norden und Westen, bis nach Mittel- und Nordeuropa getrieben, wo sie sich in zahlreichen Gegenden niederregnete. Radioaktive Wolken zogen nach Skandinavien, Osteuropa, Italien, Deutschland, auf den Balkan und in weiter östlich gelegene Gebiete der ehemaligen Sowjetunion. Insgesamt verseuchte die Radioaktivität 200.000 Quadratkilometer in verschiedenen Regionen.
In manchen Gegenden Süddeutschlands wurde nach dem Unfall eine Kontaminierung mit dem radioaktiven Cäsium 137 von 80 bis 120 000 Becquerel im Boden gemessen. Der hohe Wert liegt darin begründet, dass sich die Cäsium-Belastung nur alle 30 Jahre halbiert, also über sehr lange Zeiträume strahlt.
Folgen bis heute spürbar
Wildtiere, vor allem Wildschweine sind dadurch noch heute stark radioaktiv belastet, da sie in dem strahlenden Waldboden wühlen. Bei den Wildschweinen, die 2013 in Bayern geschossen wurden, lag die radioaktive Belastung bei über 10.000 Becquerel pro Kilogramm. Der offizielle Grenzwert liegt bei 600 Becquerel. Wild, was darüberhinausgehend belastet ist, darf nicht für den Handel freigegeben werden. Für die Jäger bedeutet das, dass viele ihrer erlegten Tiere nicht gegessen werden dürfen.
Dennoch sind die Folgen für die Bevölkerung hierzulande als sehr gering einzuschätzen und stehen in keinem Verhälnis dazu, was den Menschen in direkter Umgebung Tschernobyls wiederfuhr. Wieviel Opfer genau die Katastrophe forderte, ist bis heute unklar. Schätzungen schwanken zwischen wenigen Tausend und mehr als einer Million. Vor allem für die Rettungskräfte und Aufräumarbeiter waren die Folgen fatal: Zahlreiche ließen ihr Leben, um das vieler anderer Menschen zu retten. Spätfolgen wie Grauer Star, Leukämie, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Hirnschäden dominieren das Leben derer, die die Katastrophe überlebten. Sie sind vergessene Helden, an die wir an diesem 26. April erinnern möchten.