Ganz früher einmal suchten die Menschen für alle medizinischen Probleme ihren Hausarzt auf. Das “neue” Hausarztmodell war Alltag und der Hausarzt der klassische Lotse. Er überwies die Patienten bei Bedarf an seine Kollegen. Lediglich den Zahnarzt, den Frauenarzt und den Augenarzt steuerten die Menschen direkt an, nicht zuletzt für die jährliche Vorsorge.
Bald informierten sich die Menschen stärker und traten selbstbewusster auf. Zudem ermöglichte die im Jahr 1992 eingeführte Chipkarte, unkompliziert verschiedene Ärzte aufzusuchen. Die Patienten glauben, selbst am besten entscheiden zu können, welcher Spezialist für ihr Problem der Richtige ist. Ein Nachteil davon ist der schlechtere Austausch von Informationen zwischen den verschiedenen Fachrichtungen. Bekommt der Facharzt keine Überweisung vom Hausarzt, rollt er den Fall neu auf. Bringt der Patient zudem keine Arztbriefe und Ergebnisse von Untersuchungen mit, untersucht Sie der Mediziner für den gleichen Sachverhalt erneut. Somit entstehen für die Gemeinschaft Kosten, die vermeidbar gewesen wären. Außerdem behandelt ein Spezialist unter Umständen Fälle, die auch der Hausarzt hätte abdecken können. Dadurch verlängert sich möglicherweise für alle Patienten die Wartezeit für einen Termin beim Facharzt.
Die Ausnahme von der Regel
Auch wenn die „Hausarztverträge“ auf dem Sozialgesetzbuch beruhen, sind sie nicht alle gleich. Jede Krankenkasse kann den Inhalt individuell festlegen. Mit der Hausarztzentrierten Versorgung wollen die Krankenkassen die Kosten senken und zugleich die Versorgung der Patienten verbessern. Vertragspartner sind überwiegend Allgemeinmediziner, aber auch hausärztliche Internisten und Kinderärzte. Der Einfachheit halber sprechen wir nachfolgend trotzdem von Hausärzten.
Die Kassen müssen ihren gesetzlich Versicherten einen Hausarztvertrag anbieten. Der Versicherte darf jedoch selbst entscheiden, ob er teilnimmt, ebenso wie der Hausarzt. Die Idee: Als erste Anlaufstelle in allen Fragen der Gesundheit überweist der Hausarzt die Patienten nur bei Bedarf an Fachärzte. Natürlich gilt diese Regel nicht, wenn es sich um einen Notfall handelt oder die Patienten auf Reisen erkranken. Ebenso können die Versicherten weiterhin direkt den Frauenarzt, den Augenarzt oder ihren Zahnarzt aufsuchen.
Welche Vorteile hat das Hausarztmodell?
Sie fragen sich vielleicht, welchen Vorteil Sie von einem solchen Vertrag haben. Im Idealfall verhindert der Hausarzt unnötige Termine beim Facharzt oder im Krankenhaus sowie Operationen. Er bewahrt den Überblick zu Untersuchungen, Behandlungen und Medikamenten. Damit sollte es seltener zu Wechselwirkungen bei Medikamenten oder doppelten Untersuchungen kommen.
Zusätzlich haben die Krankenkassen unterschiedliche Anreize für ihre Patienten entwickelt. Beispiele dafür können sein:
- reduzierte Zuzahlungen in der Apotheke,
- zusätzliche Leistungen der Vorsorge wie eine Risikoberatung oder ergänzende Untersuchungen im Labor,
- weniger Zeit im Wartezimmer für die Teilnehmer an dem Programm
- exklusive Sprechstunden am Abend oder früh am Morgen
Die teilnehmenden Ärzte müssen sich regelmäßig fortbilden, was ihren Patienten zugutekommt. Inhaltliche Schwerpunkte sind beispielsweise Themen wie die richtige Gesprächsführung mit Patienten oder die Palliativmedizin.
Die Krankenkassen empfehlen in der Regel jenen Versicherten den Hausarztvertrag, die häufig Hausbesuche oder Pflege benötigen und deren Behandlung ständig verschiedene Fachärzte einbindet. Anders ausgedrückt empfehlen sie das Programm besonders für ältere Menschen und/oder chronisch Kranke.
Hat das Hausarztmodell auch Nachteile?
Nun kommen wir auf mögliche Schattenseiten des Modells zu sprechen.
Geht Ihr Hausarzt in Urlaub oder wird krank, müssen Sie zu seiner Vertretung gehen. Sie können nicht einfach zu einem beliebigen Arzt gehen. Verreisen Sie gerne und oft, ist das Modell für Sie weniger günstig. Achten Sie in diesem Fall darauf, dass Sie an Ihrem Urlaubsort ebenfalls eine Praxis mit dem Hausarztmodell aufsuchen können.
Ziehen Sie um, suchen Sie sich meist einen neuen Hausarzt. Entwickeln sie kein Vertrauen zu ihm, können Sie in der Laufzeit des Vertrags zu einem anderen Hausarzt wechseln. Allerdings muss der neue Hausarzt ebenfalls am Modell teilnehmen. Ist das nicht der Fall, drohen Ihnen zusätzliche Kosten.
Das Recht auf die zweite Meinung
Zu den Kritikpunkten zählt, dass die freie Wahl des Arztes eingeschränkt wird. Richtig ist: Wer teilnimmt, kann nur noch einen Hausarzt wählen, der ebenfalls das Hausarztmodell wählt. Zudem kann der Patient nicht ohne Weiteres andere Ärzte aufsuchen, um ihren Rat bezüglich einer Behandlung einzuholen.
Der Gesetzgeber hat festgelegt, dass Sie als Patient auch mit dem Hausarztmodell das Recht auf eine fachärztliche Zweitmeinung haben. Nehmen Sie daher alle wichtigen Befunde zu dem Arzt mit, der die zweite Meinung abgeben soll. Dazu gehören Röntgenbilder oder Laborwerte. Sie haben ein Recht auf diese Unterlagen. Ihr Arzt darf allerdings Geld für die Kopien verlangen.
Leider müssen Sie die wirtschaftlichen Interessen von Ärzten, Krankenhäusern und Krankenkassen berücksichtigen. Manche Ärzte bekommen Druck, um möglichst viele Patienten zu operieren. Die Krankenkassen achten gleichzeitig eher darauf, Kosten zu sparen.
Leiden Sie an einer besonders komplizierten Erkrankung oder steht eine planbare Operation an, sollten Sie unbedingt eine zweite Meinung einholen.
Der Hausarzt bestimmt nicht, welchen Facharzt Sie besuchen. Schlägt er also vor, dass Sie zu einem Internisten gehen, entscheiden Sie selbst, in welcher Praxis Sie einen Termin vereinbaren.
Das Hausarztmodell auf dem Land
Nicht alle Krankenkassen bewerten das Modell positiv. Einige stehen ihm kritisch gegenüber und bezweifeln seine medizinischen und wirtschaftlichen Vorteile. Krankenkassen wie die AOK bewerten das Konzept positiv, insbesondere um die medizinische Versorgung auf dem Land aufrechtzuerhalten und zu verbessern. Die Ärzte können besser planen und leiden weniger unter zu viel Bürokratie.
Entscheiden Sie sich für einen Hausarztvertrag, legen Sie sich zunächst für ein Jahr fest. Nach dem ersten Jahr können Sie den Vertrag bis zu vier Wochen vor dem Ende eines Quartals kündigen.