„Lohnt das denn? – ich komme doch schon irgendwie zurecht. Nein, das brauche ich nicht. Das ist mir zu viel Geld.“ Das sagen uns Privatkunden, die dann lieber in ein neues Auto oder Urlaub investieren.
Die neue Bauordnung NRW
Aber auch Architektenkollegen glauben, dass die neue Bauordnung NRW, die zum Ende des Jahres in Kraft tritt, über das Ziel hinausgeschossen ist, was die neuen verschärften Anforderungen an die Barrierefreiheit angeht. Die Wohnungen, die nun rollstuhlgerecht gebaut werden müssen, würden auf dem Markt nicht nachgefragt und müssten nach Fertigstellung rückgebaut werden, um Mieter zu finden. Skepsis allerorten. Ich persönlich glaube tatsächlich, dass die Politik hier mal ein richtiges und wichtiges Signal gesetzt hat.
Der Bedarf wird von der Politik ökonomisch begründet. Durch den demographischen Wandel bekommen die Städte und Kommunen Probleme bei der Umsetzung ihrer Daseinsvorsorge. Dadurch, dass die Bevölkerungsgruppe der Hochaltrigen am stärksten wächst, muss die öffentliche Hand immer mehr Mittel im Pflegebereich aufwenden. Sei es bei der Hilfe zur Pflege – immer mehr Menschen brauchen Zuschüsse, um die Heimkosten bezahlen zu können – oder für weitere Unterstützungsleistungen, die wir uns als Sozialstaat (noch) erlauben können.
Mehr Personal, mehr Versorgungsangebote, mehr altersgerechter Wohnraum wird benötigt. Und das kostet! So ist ganz rational erklärbar, dass die Maxime seitens der Politik nun heißt: ambulant vor stationär. Vorrangig soll nun der Bestand angepasst werden. Weil genau dadurch ein Umzug ins Heim vermieden werden kann. Zumal ja auch keiner ins Heim möchte. Bei Befragungen ist diese Wohnform im Alter mit Abstand die unbeliebteste. Zu wenig Personal, zu wenig Individualität, zu wenig Selbstbestimmung, zu wenig Zuwendung, zu wenig von allem …
Wieso ist barrierefreies Wohnen noch immer negativ belegt?
Mit diesem Wissen ist es mir noch weniger verständlich, dass alle über die Kosten der Wohnraumanpassung und der Verteuerung der Baukosten schimpfen. Den Bauträgern und Investoren kann ich nur sagen, da stimmt das Marketingkonzept nicht, wenn die barrierefreien Wohnungen, die „nur“ wegen der baurechtlich erforderlichen Quote gebaut werden, nicht vermarktet werden können. Die müssten doch eigentlich als erstes weg sein! Warum hat es immer noch keine Qualität eine barrierefreie Wohnung zu bewohnen, sondern wird tatsächlich als Nachteil empfunden? Den Weitblick zu haben, sich den riesigen Bedarf an barrierefreiem Wohnraum vorzustellen, der mit Sicherheit in Zukunft benötigt wird, das wäre doch der richtige Ansatz. Über das Thema Inklusion, Universal Design oder neue Altersbilder ist ja schon viel geschrieben worden. Auch die Gesellschaft muss umdenken lernen. Aber genau da liegt ja anscheinend das Problem. Wohnungen nicht für Randgruppen, sondern Komfort Wohnungen für alle Bewohner sollten das Ziel sein.
Insofern sind die Zuschussprogramme des Staates, der Länder und der Kommunen der richtige Weg. KfW Mittel als Zuschüsse zum barrierefreien Umbau von Bestandswohnungen oder Zuschüsse der Pflegekassen zu wohnumfeldverbessernden Maßnahmen setzen Anreize vorzusorgen. Ja, das muss man ganz offen zugeben, die Anpassung des Bestandes und auch der Mehraufwand beim Neubau, der der Barrierefreiheit geschuldet ist, kosten Geld. Die Frage darf aber dann nicht lauten: „Wollen wir uns das leisten? Brauchen wir das überhaupt?“ Viel eher sollte dagegengehalten werden, was ein Heimplatz den Bewohner, aber auch die Allgemeinheit aus Steuermitteln kostet.
Schaffung von Mehrwert ist immer ein gutes Investment
Eine Wohnraumanpassung mit Badumbau, Lösungen zur Überwindung von Niveauunterschieden, Schaffen von Bewegungsflächen, technische Unterstützungssysteme oder auch die Ertüchtigung mit Aufzugsanlagen verschlingen ganz schnell 5- bis 6-stellige Summen. Aber dafür gibt es ja auch einen Mehrwert. Und dieser Mehrwert ist nicht nur für ein paar wenige sinnvoll, sondern unter dem Komfort Aspekt für uns alle. Dies sollte man in der Kostendiskussion nicht vergessen.
Die Alternative heißt für mich nicht tun oder lassen, sondern sinnvoll tun. Und sinnvoll ist für mich als Architektin, Fachkraft für barrierefreies Bauen und Pflegediensthelferin allein der Weg, Geld zu investieren in eine bessere Zukunft, in ein selbstbestimmtes Wohnen im Alter in einer barrierefreien Wohnung. Ob in dem eigenen Zuhause, einer barrierefreien Neubauwohnung, einer Senioren WG oder einer ambulant betreuten Wohngruppe. Dafür stehe ich mit dem Konzept der Firma „Selbstbestimmt im eigenen Heim – SieH GmbH“.
Herzlichst Ihre Sabine van Waasen